Was vor hundert Jahren mutige Pioniere in den Alpen vorgemacht haben – die Besteigung der höchsten und schwierigsten Gipfel wie Matterhorn oder Großglockner – gelang 1953 dem Neuseeländer Edmund Hillary und seinem tibetischen Begleiter Tenzing Norgay beim höchsten Berg der Welt: dem Mount Everest, der sich 8.846 Meter in den Himmel erhebt. Mittlerweile toben sich in den Alpen Scharen von Gipfelstürmern aus und auch die Besteigung der Achtausender des Himalayamassivs wird zum Massenauftrieb – mit oft fatalen Folgen für Mensch und Umwelt.
Denn wenn Hobbywanderer sich berufen fühlen, in schwindende Höhen zu steigen, endet das oft tödlich. Jedes Jahr lassen Bergsteiger am Mount Everest ihr Leben. Die schlimmste Tragödie spielte sich bislang am 10. Mai 1996 ab. Insgesamt 24 Mitglieder mehrerer kommerzieller Expeditionen brechen an diesem Tag über verschiedene Routen zum Gipfel auf. Da dieser ungefähr so groß wie ein Billardtisch ist, kommt es auf und unter dem Gipfel – am so genannten „Hillary-step“ – zum Stau. Mangelnde Kondition lässt zudem so manchen Nachzügler erst am Nachmittag den Gipfel erreichen – und somit die streng festgelegte Umkehrzeit von 14 Uhr weit überschreiten.
Und so nimmt die Katastrophe ihren Lauf. In der Besessenheit den Gipfel zu bezwingen, werden die drohenden Anzeichen eines heraufziehenden Unwetters ignoriert. Ein orkanartiger Schneesturm bricht los, von 24 Bergsteigern schaffen es nur 19 zurück ins Basislager. Fünf von ihnen erfrieren im tosenden Orkan oder werden von ihm in die Tiefe gerissen.
Dabei kommt schon der Aufenthalt bei über 8.000 Meter Höhe einem langsamen Sterben gleich. Der extreme Sauerstoffmangel führt zur gefährlichen Unterversorgung im Gehirn – einen klaren Gedanken zu fassen fällt da schwer. Vielleicht ist das auch der Grund, warum manch „ordentlicher“ Bergsteiger seinen Müll nicht mehr brav zu Tal trägt, sondern einfach liegen lässt. Das Basislager am Südsattel des Everests ist daher zur Müllkippe mutiert: Leere Sauerstoffflaschen stapeln sich neben zerrissenen Zelten, Fäkalien und Essensresten.
Die Regierung in Nepal lässt mittlerweile eine Kautionen von 4.000 Dollar hinterlegen, um sicher zu gehen, dass Müll – und Leichen – wieder zurückgebracht werden. Insgesamt 65.000 Dollar zahlen die Rekordsüchtigen für die Expedition. Trotz des Müllproblems und der Gefährlichkeit der Besteigung – von einer Schließung des Berges will die Regierung nichts wissen. Zu wichtig sind die Devisen geworden, die das Extrembergsteigen einbringen.
Aber auch für jene, die nicht ganz so hoch hinaus wollen, hält der Himalaya am Fuße seiner Achtausender noch einige Herausforderungen bereit. Trekking in Nepal erfreut sich weltweit steigender Beliebtheit. In den letzten beiden Jahrzehnten explodierte der Wandertourismus hier förmlich. Allein von 1980 bis 1991 stieg die Zahl der Trekker um mehr als das Doppelte. Jährlich sind Tausende auf dem „Dach der Welt“ unterwegs.
Reiseveranstalter locken dabei vor allem mit dem Zutritt in Neuland: Abgelegene Täler, esoterische Sinnsuche in Bergklöstern für zivilisationsmüde Zeitgenossen. Auch der deutsche Alpenverein hat hier ein Betätigungsfeld und bietet organisierte Touren an. Meistens sind dies Pauschalangebote mit Logistik und Ausrüstung – inklusive der Sherpas. Die Touristen sind für die Lastenträger wichtige Einnahmequelle geworden. Der Preiskrieg unter den zahlreichen Trekkingagenturen lässt die Träger jedoch zu den ersten Opfern werden. Schlecht ausstaffiert bekommen sie oft nur sehr geringe Gehälter.
Die ökologischen Probleme in Nepal wie Entwaldung, Wasserverschmutzung und die Ausrottung von Tier- und Pflanzenarten verschlimmern sich mit dem anwachsenden Trekking-Tourismus noch weiter. Der Verbrauch an Holz, für die Einheimischen wichtigste Energiequelle, ist durch die Touristen weiter angestiegen. Von der Regierung ist daher die Vorschrift erlassen worden, dass sich Touristen ihren eigenen Brennstoff in Form von Gas oder Kerosin mitbringen müssen. Ein heißes Bad nach der Trekkingtour und den Tag am Lagerfeuer ausklingen zu lassen, sind dennoch zu verlockend als ausgeschlagen zu werden.
Manche Reiseveranstalter werben sogar mit diesen Problemen. Ihre besondere Leistung: Komfort, Ökologie und Menschlichkeit. Sie garantieren neben wasserdichten Zelten auch solarbeheizte Wannenbäder und zufriedene Sherpas. Denn nichts kann laut Veranstalter einen ausgelassenen Abend so verderben, wie der Anblick eines frierenden, schlecht genährten Lastenträgers.
Stand: 23.03.2002