Tatort“ nördlicher Baikalsee: Im Frühjahr 1996 werden zum zweiten Mal nach 1993 Sedimentkerne im Rahmen des Baikal Drilling Programs (BDP) erbohrt. 200 Meter tief, 100 Meter mehr als vor drei Jahren, ist man in die Sedimentfolge des Baikalsees eingedrungen, als die Bohrung endgültig gestoppt wird. Entscheidend beteiligt an diesem Projekt sind neben russischen, amerikanischen und japanischen Forschern auch Wissenschaftler vom GeoForschungsZentrum Potsdam und vom Alfred Wegener Institut Potsdam. Die Sedimentkernanalysen sollen helfen, die klimatische, geologische und ökologische Entwicklungsgeschichte der Region zu entschlüsseln. Man erhofft sich aber auch neue Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen Meer und Festland und deren Zusammenwirken auf das globale Klima.
Erste Auswertungen der Bohrkerne lassen bereits handfeste Ergebnisse erwarten. So konnten die Wissenschaftler mithilfe von Pollenanalysen ermitteln, dass in der Zeit zwischen 3,5 und 2,5 Millionen Jahren vor heute eine deutliche Abkühlung in der Baikal-Region stattgefunden hat. Da Bohrkerne aus dem Nordatlantik ähnliche Resultate ergeben haben und sich dieser Zeitraum mit dem Beginn der flächenhaften Vergletscherung der nördlichen Hemisphäre deckt, schließt man daraus, dass die globale Klimaentwicklung im Meer und an Land sehr ähnlich abgelaufen sein muss.
Eiskerne
Aber nicht nur die Untersuchungen an Bohrkernen von Meeres- und Seesedimenten helfen den Klimaforschern heutzutage weiter, auch die Analyse von Eiskernen in der Antarktis oder auf Grönland liefern wichtige Details zur Entschlüsselung der Klimageschichte der Erde. Eines der wichtigsten und bekanntesten Projekte war dabei das Greenland Icecore Project, kurz GRIP genannt, bei dem die bis zu 3.000 Meter mächtigen grönländischen Inlandeismassen untersucht wurden. Die dabei gewonnenen Bohrkerne lieferten präzise Informationen über das Klima der letzten 250.000 Jahre.
Noch weiter zurück in die Vergangenheit geht es beim Projekt EPICA (European Project for Ice Coring in Antarctica) in der Antarktis. An diesem Projekt sind auch deutsche Wissenschaftler vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung beteiligt. Der dortige Eispanzer wird von europäischen Wissenschaftlern komplett durchbohrt, um Eisproben zu gewinnen. Dieses uralte Eis speichert sogar das Auf und Ab der Temperaturen in den letzten 500.000 Jahren.
Auf der Bohrstation „Dome Concordia“ arbeitet dort der Chefwissenschaftler Dr. Eric Wolff vom British Antarctic Survey. Er forscht im Moment an Eiskernen, die aus einer Tiefe von 2.000 Metern stammen und ein Produkt der Schneefälle von vor 170.000 Jahren sind. Zu diesem Zeitpunkt war es in dieser Region noch 10 Grad Celsius kälter als heute. „Die Informationen darüber, wie das Klima in der Vergangenheit funktionierte, sind im Eis verschlüsselt“, berichtet Eric Wolff. „Wenn wir sie verstehen, wird uns das helfen, Voraussagen über zukünftige klimatische Veränderungen treffen zu können. Es ist faszinierend, daran zu denken, dass vor 170.000 Jahren der Meeresspiegel 120 Meter tiefer und die Temperatur am Äquator um 6 Grad Celsius geringer lag als heute.“
An Eiskernen aus Grönland wurden sehr instabile Klimabedingungen für die Vergangenheit abgeleitet. Das kann bedeuten, dass auch für die Zukunft schnelle Veränderungen erwartet werden müssen.
Jahresringe
Für die Erforschung kürzerer Zeiträume sind auch Korallen und fossile Baumstämme von Bedeutung. Bäume und Korallen bilden je nach Lebensbedingungen deutlich unterschiedliche Jahresringe bzw. Jahresschichten aus. Ein klimatisch sehr gutes Jahr lässt sich deshalb in vielen Bäumen gleichermaßen anhand eines breiten, ausgeprägten Jahrringes erkennen. Alle Jahresringe zusammen genommen ergeben so einen guten Überblick über das Klima der Gegend, in der der Baum gewachsen ist. Für einige Arten, zum Beispiel Buche, Tanne und Kiefer, konnten die Jahresringstrukturen mehrere hundert oder tausend Jahre zurück verfolgt werden. Bei der Eiche liegt ein solcher Blick in die Vergangenheit sogar für die letzten 10.000 Jahre vor.
Stand: 19.02.2002