Die Städte des Ruhrgebiets sind räumlich zwar auf das engste miteinander verflochten, dennoch denkt jede Stadt zunächst einmal an sich. Eine gewinnbringende Zusammenarbeit gestaltet sich so oftmals schwierig. Wie schädlich sich das Konkurrenzdenken der Ruhrgebietsstädte auf die gesamte Entwicklung auswirkt, zeigt sich in vielen Bereichen – ob in der Stadt- und Verkehrsplanung, der Wirtschaftsförderung oder der Kulturpolitik.
Seit dem Bau des Vergnügungs- und Einkaufszentrums CentrO in Oberhausen beispielsweise übertrumpfen sich die Nachbarstädte mit der Planung überdimensionaler Shopping-Malls, die da heißen: UFO, Multi-Casa oder Passarea. Da das CentrO mit seinem Angebot die benachbarten Innenstädte ausblutet, wollen sich diese ihre verloren gegangene Kaufkraft zurückholen. Der Wettlauf der Städte um das eindruckvollste Einkaufszentrum ist jedoch in vielerlei Hinsicht wenig sinnvoll. Die Megazentren sind aufgrund des Wettbewerbsdrucks finanziell nicht tragbar. Was die TAZ als „Amerikanisierung des Ruhrgebiets“ tituliert, ist auch aus stadtplanerischer Sicht schädlich. Derartige Riesenzentren sind eigene kleine Stadtzentren und bringen eine organische Stadtentwicklung durcheinander.
Auch im Bereich der Verkehrsplanung gibt es keine städteübergreifende Kooperation. Zwischen Mönchengladbach und Hamm existieren 27 verschiedene Verkehrsgesellschaften. Diese agieren ohne übergeordnetes Verkehrskonzept. So sind Busse und Straßenbahnen zumeist sternförmig auf das jeweilige Stadtzentrum gerichtet. Das Passieren von Stadtgrenzen ist oft nur über die jeweiligen Hauptbahnhöfe möglich. Zwei Kilometer Luftlinie mit Bus und Bahn sind nur unter Schwierigkeiten zurückzulegen, wenn eine Stadtgrenze dazwischenliegt. Überhaupt kann das Queren mehrerer Städte zur Odysee werden, da manche Verkehrssysteme untereinander nicht „kompatibel“ sind. So zwingen die unterschiedlichen Spurbreiten der Essener und Gelsenkirchener Straßenbahnen den Passagier auf einen Pendelbus umzusteigen, der die fehlenden 500 Meter überbrückt. Der ÖPNV stellt keine echte Alternative zum Autoverkehr dar. Die Straßen des Reviers sind überlastet.
Die Ruhrgebietsstädte insgesamt besitzen einen Kulturetat von rund 800 Millionen Mark jährlich, womit sie es mit Metropolen wie London und Paris aufnehmen könnten. Anstatt Gelder zu bündeln, um ruhrgebietsweit eine sinnvolle Arbeitsteilung im Kultursektor zu erreichen, versuchen sich die Städte wiederum gegenseitig zu überbieten. Dortmund plant in den nächsten Jahren die Errichtung einer Philharmonie – genauso wie die Städte Essen und Bochum. Im Umkreis von 35 Kilometer sollen somit drei Philharmonien entstehen. Statt einer erstklassigen „Ruhrphilharmonie“ mit überregionaler Ausstrahlung entstehen mehrere durchschnittliche Konzerthäuser.
Bei geplanten Gewerbeansiedlungen ist die Rivalität unter den Städten besonders groß – jede Kommune will die anfallende Steuern für sich verbuchen. So bewarben sich die Städte Waltrop und Datteln um die Ansiedlung eines BMW-Werkes. Die Kommunen verfielen darüber jedoch in Streit und BMW erteilte beiden eine Absage. Die gescheiterte BMW-Ansiedlung macht das gesamte Ruhrgebiet zum Verlierer: neben 3.000 neuen Arbeitsplätzen am Standort wären 25. 000 in der Zulieferindustrie entstanden. Eine übergeordnete Instanz, die – unabhängig von Stadtgrenzen – das geeignetste Grundstück für Industrieansiedlungen aussucht,
existiert im Ruhrgebiet nicht.
Stand: 09.02.2002