Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatten die Vorstellungen von Kant und Hutton zwar die Oberhand gewonnen, gleichzeitig stand den Geowissenschaftlern und mit ihnen den gesamten Naturwissenschaften ein neuer Eklat bevor. Der Streit entzündete sich an der Frage, wie genau die Erdgeschichte abgelaufen sei – kontinuierlich oder sprunghaft, von Katastrophen geprägt?
Der Zoologe und Paläontologe Georges Cuvier untersuchte die Fossilien in den Erdschichten des Pariser Beckens und fand immer wieder große Lücken in der Abfolge. Er schloss daraus, dass diese Lücken ein Indiz für gewaltige globale Katastrophen sein mussten, die in der Erdgeschichte immer wieder das Leben zerstört und anschließend zu einer Neuentwicklung geführt hatten.
1830 brachte jedoch der englische Geologe Charles Lyell Cuviers Katastrophen-Theorie ins Wanken, als er seinerseits eine alternative Erklärung veröffentlichte. Er postulierte, dass alle Entwicklungen in der Erdgeschichte durch Prozesse zu erklären sein müssten, die auch heute noch auf der Erde wirken und beobachtbar seien. Diese Theorie des „Aktualismus“ stieß zunächst auf großen Widerstand, setzte sich aber letztendlich durch. 1859 schließlich übertrug Charles Darwin diese Vorstellung von der Geologie auf die Biologie und entwickelte auf ihrer Basis seine revolutionäre Evolutionstheorie.
Der Aktualismus bildet bis heute eines der Fundamente nicht nur der Geowissenschaften sondern auch der gesamten naturwissenschaftlichen Forschung. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Naturgesetze und mit ihnen die fundamentalen Kräfte, die auf die Erde und alle ihre Bewohner wirken, heute die gleichen sind, wie vor Millionen von Jahren – und dass diese sich auch in der Zukunft nicht plötzlich ändern werden.
Erst diese Annahme macht beispielsweise Klimamodelle, Frühwarnsysteme oder auch die Abschätzung von ökologischen Folgen bestimmter Eingriffe überhaupt möglich.
Stand: 20.01.2002