Naturereignisse/Naturkatastrophen

Die Erde als kosmische „Schießbude“?

Wahrscheinlichkeit von Meteoriteneinschlägen

„Die Wahrscheinlichkeit, daß durch einen Asteroideneinschlag zu sterben ist erheblich höher als die, im Lotto zu gewinnen“. Mit diesem Satz faßt Clark C. Chapman vom amerikanischen Southwest Research Institut die Bedrohung durch Meteoriten zusammen. In seiner Rede vor einem Komitee aus Vertretern der NASA und des amerikanischen Repräsentantenhauses charakterisierte Chapman die momentane Situation: „Kaum jemand würde ein Flugzeug besteigen, wenn ihm klar wäre, das alle paar tausend Flüge ein Absturz passiert. Dennoch unternehmen wir nichts, um das gleich große Risiko eines Meteoriteneinschlags zu verringern.“

In einem Artikel in der britischen Zeitschrift „Nature“ hatten Chapman und sein Kollege David Morrison vom Ames Forschungszentrum der NASA bereits 1994 eine Tabelle veröffentlicht, in der sie die Wahrscheinlichkeiten einer Reihe von Todesursachen für die USA auflisteten. Demnach sterben Amerikaner theoretisch eher durch einen Asteroiden oder Kometeneinschlag als in einer Überschwemmung oder durch einen Tornado.

Meteoriteneinschlag © NASA

So unglaublich diese Abschätzungen klingen mögen, fest steht, daß die Erde einem ständigen Bombardement ausgesetzt ist. Obwohl die meisten der unzähligen Himmelskörper als Meteore schon in den oberen Atmosphäreschichten der Erde verglühen, rieselt dennoch ständig „Weltraumstaub“ auf die Erde. Hunderte von winzigen Einschlagspuren auf Sonnensegeln von Satelliten zeugen von der Häufigkeit dieser Mikrometeoriten. Die Wissenschaftler der Universität von Washington errechneten, daß die Erde durch Materieteilchen von weniger als einem Millimeter Größe pro Jahr um rund 40 000 Tonnen an Masse zunimmt.

Von Meteoriten mit Massen von mehr als hundert Gramm wird die Erde jedes Jahr immerhin noch etwa 19 000mal getroffen. Beobachtungen des kanadischen „Camera Network“ gehen sogar von 26 000 Meteoriteneinschlägen dieser Größenordnung aus. Wiedergefunden werden von diesen allerdings nur fünf bis sechs. Im amerikanischen Städtchen Peekskill im Bundesstaat New York durchschlug ein kleines, zwölf Kilogramm schweres Fragment eines größeren Meteoriten das Hinterende eines geparkten Autos und blieb in einer flachen Kuhle darunter liegen.

Die schützende Lufthülle der Atmosphäre läßt zwar die Mehrzahl der Steinmeteoroiden mit Durchmessern unter zehn Metern bereits in den oberen Luftschichten zerplatzen, ihre Fragmente erreichen aber häufig den Erdboden und können beträchtlichen Schaden anrichten. Ein zehn Meter großer Meteorit hat schon die kinetische Energie von etwa fünf Hiroshimabomben. 1947 zerplatzte ein Eisenmeteorit dieser Größe über den Sikhote-Alin Bergen im Osten Sibiriens und verursachte einen Schauer von 136 Tonnen von Fragmenten, die sich über zwei Quadratkilometer verteilten und rund zweihundert Krater hinterließen. Ein Einschlag dieser Größe geschieht nach Schätzungen von Experten rund einmal alle zehn Jahre, in den meisten Fällen gehen die Meteoriten aber weitgehend unbemerkt über den Ozeanen oder unbewohntem Gebiet nieder.

Mit Treffern durch Meteoriten der Größe 50 bis 300 Meter wie beim Tunguska- Ereignis müssen wir nach der Einschätzung von Chapman und Morrison alle paar hundert Jahre rechnen. Besiedelte Gebiete oder Städte sollen dabei allerdings nur einmal in 3000 bzw. 10000 Jahren getroffen werden.

Einschläge von Brocken von 500 bis 5000 Metern Durchmesser sind bereits erheblich seltener, ihre Häufigkeit wird zwischen 70 000 und sechs Millionen Jahre geschätzt. Hochrechnungen aus der Anzahl der irdischen Krater und der Häufigkeit von erdnahen Asteroiden und Kometen zeigen, daß auf dem Festland etwa alle zwei bis drei Millionen Jahre ein Krater von 20 Kilometern Größe entsteht. Der jüngste bisher entdeckte Krater dieser Größenordnung ist der rund eine Million Jahre alte Zhamanshin-Krater in Kasachstan.

Nicht erst seit „Deep Impact“ oder „Armageddon“ fragen sich viele, wie wahrscheinlich eine globale Katastrophe durch Meteoriten denn eigentlich ist. Der Chicxulub-Krater in Mittelamerika zeigt, daß die Erde gegen Treffer dieser Dimension nicht gefeit ist. Vor 65 Millionen Jahren führte dort der Einschlag eines vermutlich über zehn Kilometer großen Meteoriten zur Umwälzung der gesamten Biosphäre unseres Planeten und wahrscheinlich auch zum Untergang der Dinosaurier.

Aus Vermessungen und Altersbestimmungen der Mondkrater geht hervor, daß die Meteoritenhäufigkeit in unserem Teil des Sonnensystems in den letzten Milliarden Jahren relativ stabil geblieben ist. Es besteht daher Grund zu der Annahme, daß die Erde auch in Zukunft Ziel eines solchen kosmischen Geschosses werden könnte.

Auch die Wissenschaftler Clark Chapman und David Morrison lassen daran keinen Zweifel: „Die Erde steht in einer kosmischen Schießbude und Katastrophen, die von Einschlägen ausgelöst wurden, sind über Jahrmilliarden hinweg Teil unserer Naturgeschichte.“

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Stand: 19.01.2002

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Meteoriten
Gefahr aus dem All

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Meteorit ist nicht gleich Meteorit
Von Chondriten, Eisen und Kohlenstoff

Suche nach den Einschlagskratern
Wie die Nadel im Hauhaufen...

Der "Dinokiller"
Der Chicxulubkrater in Yucatan

Krater - die Narben der Erde
Entstehung und Morphologie von Einschlagskratern

Spurensuche mit der Lupe
Impaktite und andere Relikte eines Meteoriteneinschlags

Die Erde als kosmische "Schießbude"?
Wahrscheinlichkeit von Meteoriteneinschlägen

Fatal Impact
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