Nachdem die Geophysiker nun dank der Computermodelle einen besseren Einblick in die Vorgänge während einer Umpolung gewonnen haben, stellt sich die Frage, ob eine solche dramatische Umwälzung tatsächlich nahe bevorstehen könnte.
Um dies zu klären, haben Forscher bereits nach den ersten Vorboten einer Umpolung – wie beispielsweise einer allmählichen Abschwächung – gefahndet. Ausgehend von den frühesten systematischen Magnetismus-Messungen um das Jahr 1850 herum, verglichen sie die Variationen der magnetischen Intensitäten von damals bis zu den aktuellsten Messungen.
Die resultierenden Daten zeigen, dass wir uns tatsächlich in einer Phase der abnehmenden magnetischen Feldstärken befinden. Doch Grund zur Panik besteht nicht. Da diese langsame Abschwächung sich über Hunderte von Jahren hinzieht, werden zumindest einige Generationen der Menschheit noch ohne diese Erfahrung leben können. Experten schätzen, dass sich das Feld erst in rund 1.300 Jahren soweit abgeschwächt haben könnte, dass es umkippt.
Spielraum nach unten
Zudem liegen die magnetischen Feldstärken in den letzten 50.000 Jahren ohnehin eher höher als der langfristige Durchschnitt, es gibt daher vermutlich noch mehr Spielraum nach unten. Hinzu kommt, dass ohnehin niemand weiß, ob sich der gegenwärtige Trend nicht schon in ein paar Jahren wieder umkehrt und die Feldstärken wieder ansteigen.
Doch selbst wenn der „große Polwechsel“ kommen sollte, was wären die Folgen? Im Prinzip gleichen die Auswirkungen denen eines extrem starken Sonnensturms. Die Erde wäre wegen ihres dünner gewordenen magnetischen Schutzschilds der elektromagnetischen Strahlung aus dem All dauerhaft stärker ausgesetzt. Diese kann die Funk- und Radioverbindungen stören, die Stromversorgung unterbrechen und auch das Telefonieren per Handy wäre nicht mehr möglich. Die energiereichen kosmischen Strahlen dringen auch in die Zellkerne aller Organismen ein und können dort Zellschäden oder Mutationen im genetischen Material auslösen.
Doch für Geophysiker wie Bruce Buffett von der Universität von British Columbia besteht dennoch kein Anlass zur Sorge: „Es ist klar, dass auch unsere frühesten Vorfahren schon einige Umpolungen schadlos überstanden haben“, erklärt Buffett. „Die offensichtlichste Konsequenz ist vermutlich, dass wir einen neuen Kompass bräuchten.“
Nadja Podbregar
Stand: 15.12.2001