Das irdische Magnetfeld ist offenbar launischer als angenommen. Es kann innerhalb von nur wenigen Tausend Jahren seine Polung komplett umkehren – nach geologischen Maßstäben entspricht dies einem bloßen Wimpernschlag. Andererseits bleibt es dann wieder über Jahrtausende stabil, und schwankt allenfalls leicht in seiner Stärke.
Bis heute liegen die Ursachen und Mechanismen dieser plötzlichen Umschwünge im Dunkeln. Die entscheidenden Prozesse laufen tief im Inneren der Erde ab, außer Reichweite für alle direkten Beobachtungsmethoden. Weder die magnetischen Eigenschaften des flüssigen, äußeren Erdkerns noch seine Strömungen lassen sich direkt messen. Die „Reise in das Innere der Erde“, wie sie Jules Verne beschrieb, ist den den Geophysikern auch heute noch nicht möglich. Sie sind daher auf indirekte Methoden wie seismische Messungen, die Auswertung der paläomagnetischen Daten oder Computermodelle angewiesen, um dem seltsamen Verhalten des globalen Dynamos auf die Spur zu kommen.
Umpolung im Modell
Doch inzwischen zeigen sich erste bescheidene Ergebnisse der mühsamen Suche: Der Geophysiker Gary Glatzmaier vom amerikanischen Los Alamos National Laboratory hat gemeinsam mit seinem Kollegen Paul Roberts von der Universität von Los Angeles ein numerisches Modell der Strömungsabläufe im flüssigen äußeren Erdkern entwickelt. Nach gängiger Annahme befindet sich dort der treibende Motor für das irdische Magnetfeld. Reichte das bisherige Wissen über die Vorgänge im Inneren der Erde aus, um auch in der Simulation ein Magnetfeld ähnlich dem irdischen zu erzeugen?
Nach der Eingabe einer Unmenge von Daten, einem Jahr Entwicklungsarbeit und mehr als 2.000 Stunden Rechenzeit am CRAY-Supercomputer des Laboratoriums gelang es Glatzmaier und Roberts tatsächlich, mit ihrem Modell die wichtigsten Eigenschaften des „Magneten Erde“ zu simulieren. Über einen virtuellen Zeitraum von 40.000 Jahren hinweg verhielt sich das Modellmagnetfeld wie sein natürliches Vorbild.
Doch das eigentlich Sensationelle geschah kurz vor Ende der Simulation: Das Modellmagnetfeld begann plötzlich schwächer zu werden und polte sich, nach einem Moment des Chaos, komplett um. Es passierte völlig spontan und ungeplant. Glatzmaier: „Keiner von uns hätte im Traum daran gedacht, dass so etwas passieren könnte.“ Sein Kollege Roberts setzt fort: „Wir haben es nicht erwartet und waren begeistert. Das gibt uns das Vertrauen, dass wir mit diesem Modell eine glaubhafte Verbindung zwischen der reinen Theorie und den paläomagnetischen Daten gefunden haben.“
Nadja Podbregar
Stand: 15.12.2001