Nicht nur die Körpergestalt ist bei fast allen Pflanzen und Tieren symmetrisch, auch die Muster der Körperoberfläche folgen oft diesem Prinzip: Die Flügel der Schmetterlinge haben nicht nur auf beiden Seiten die gleiche Form, auch ihre Zeichnung und Farbe ist ein genaues Spiegelbild der jeweils anderen Seite.
Auch die farbigen Fellzeichnungen von Zebras, Tigern, und einigen anderen Säugetierarten gehören zu den auffälligsten Mustern der Natur. Die Streifen- oder Fleckenmuster sind in der Regel deutlich bilateralsymmetrisch, die Farbverläufe beider Körperseiten gleichen sich. Aber wozu?
Die Ursache ist auch hier wieder in der Funktion zu suchen: Studien zeigen, dass sowohl Tiere als auch menschliche Säuglinge symmetrische Strukturen besser wahrnehmen als unsymmetrische. Sinn macht ein symmetrisches Fell- oder Flügelmuster also auf jeden Fall immer dann, wenn ein Tier wahrgenommen werden will. Bei den klassischen Warntrachten von Wespen, Hornissen oder dem Feuersalamander ist dies der Fall. Ihre Streifen signalisieren eindeutig und weithin erkennbar: „Achtung Gefahr“ oder „Achtung, ungenießbar“.
Doch auch bei dem Gegenteil, der Tarntracht, kann Symmetrie sinnvoll sein. Dann nämlich, wenn die hochgradig symmetrischen Streifen beim Betrachter so in den Vordergrund treten, dass sie von der Körperkontur ablenken. Als Resultat verschmilzt das Tier scheinbar mit dem Hintergrund. Der Tiger verschwindet in der Vegetation, das Zebra inmitten seiner Herde von ebenfalls gestreiften Artgenossen.
Oft sind die Streifenmuster des Fells jedoch auch ein individuelles Erkennungsmerkmal. Ähnlich wie der Fingerabdruck eines Menschen ist auch das Fellmuster jedes einzelnen Zebras einmalig. Kein Tier gleicht dem anderen, kein Streifenmuster stimmt mit einem anderen genau überein. Das Muster entscheidet unter anderem darüber, ob ein Tier als zur Herde gehörend erkannt oder als Fremdling entlarvt und verjagt wird.
So praktisch dieses Erkennungszeihen in der Natur ist, den Forschern bereitet es seit langem Kopfzerbrechen. Denn sie fragen sich: Wie entsteht sie? Einerseits ist die grobe Struktur des Streifenmusters artspezifisch und damit genetisch bestimmt. Sie wird schon in der Embryonalentwicklung des Embryos angelegt. Aber wenn nur die Gene ausschlaggebend wären, müsste es viel mehr identische Fellmuster geben. Der Schluss liegt daher nahe, dass noch ein weiterer Faktor eine Rolle spielen muss.
Und tatsächlich: Als Forscher begannen, die Embryonalentwicklung der Tiere genau zu beobachten, stellten sie fest, dass noch undifferenzierte Zellen des Embryos zunächst gleichmäßig auf beide Körperseiten wanderten und sich erst an Ort und Stelle zu Pigmentzellen differenzierten – oder auch nicht. Ausschlaggebend für die Entscheidung der Zelle waren dabei offenbar keineswegs zentral gesteuerte Befehle, sondern die Signale benachbarter Zellen.
Inzwischen ist das Prinzip dieser Musterbildung recht gut untersucht, offen bleibt dabei allerdings die Frage, woher die eine Seite weiss, was die andere tut…
Stand: 14.11.2001