Naturereignisse/Naturkatastrophen

Erdrutsche und Schlammlawinen

"Hausgemachte" Katastrophen

Seit Jahrhunderten bekannt und gefürchtet, sind katastrophale Erdrutsche und Schlammlawinen kein neues Phänomen. Schlammlawinen in Nicaragua, Geländeabbrüche in den Küstenregionen Kolumbiens und Ecuadors, Schlammströme in Italien – immer wieder kosten diese Ereignisse hunderte von Menschenleben und zerstören ganze Siedlungen.

Auch in Mitteleuropa gab es in den letzten 120 Jahren vier Zeiträume, in denen besonders viele Erdrutschungen beobachtet wurden. Allein in Rheinland-Pfalz fanden an der Jahreswende 1982/82 innerhalb von 24 Stunden 280 Rutschungen statt, dabei gerieten insgesamt 10 Millionen Kubikmeter Erdmassen in Bewegung.

Wolkenbruch © IMSI MasterClips

Recherchen haben ergeben, das solche Häufungen immer dann auftreten, wenn zwei oder drei Jahre lang überdurchschnittlich viel Niederschlag fällt. Dann ist der Grundwasserspiegel hoch und die Erdmassen stark durchfeuchtet – beste Vorraussetzungen für einen Erdrutsch. Kommt dann noch ein auslösendes Moment hinzu, wie ein plötzliche Auftauen der gefrorenen Erde durch einen Wärmeeinbruch oder ein heftiger Regenguß, geraten die Erdmassen ins Rutschen.

Auch der Mensch ist nicht ganz unschuldig: In fast 40 Prozent der Fälle löst der Mensch einen Erdrutsch selbst aus, zum Beispiel durch Hanganschnitte für den Straßenbau, Aufschüttungen oder andere Baumaßnahmen. Zusätzlich haben auch schon länger zurückliegende menschliche Eingriffe noch heute massive Auswirkungen auf die Hangstabilität. Vor allem die schon im Mittelalter begonnen großflächige Rodung der Hangwälder hat vielerorts zu kahlen Hangflächen geführt, die der Erosion schutzlos ausgesetzt sind.

Besonders fatal: gerade diese „Hanglagen mit Aussicht“ sind heute besonders begehrtes Bauland. So wurde in den achtziger Jahren in Rheinhessen ein Gebiet mit dem vielsagenden Namen „In der Rutsch“ bebaut. Für die stolzen Bauherren ein teures Vergnügen: trotz spezieller Fundamente kam es durch Erdbewegungen zu deutlichen Schäden an den Wohnhäusern. Während es bei uns unter den wohlhabenden schon fast ein Statussymbol ist, am Hang zu wohnen, sieht die Situation in den Ländern der dritten Welt völlig anders aus. Dort sind es die Siedlungen der Kleinbauern, die Slums und Favelas der armen Stadtrandbewohner, die an instabilen und ungeschützten Hängen liegen.

Die durch den Hurrikan „Mitch“ ausgelöste Schlammlawine in Nicaragua hat gezeigt, welch dramatische Auswirkungen eine solche Siedlungspolitik haben kann: Die durch die starken Regenfälle ausgelöste Schlammlawine begrub fünf ganze Dörfer unter sich und kostete 7000 Menschen das Leben. Die am instabilen Hang des Vulkans Casitas gelegenen Siedlungen, in denen hauptsächlich Kleinbauern und Plantagenarbeiter lebten, waren dort entstanden, weil in den sicheren Ebenen kein Platz für sie war, Agrarkonzerne hatten den fruchtbaren Boden für ihre Plantagen reserviert.

Um eine weitere Bebauung solcher gefährdeter Bereiche zu verhindern, gibt es inzwischen Karten, auf denen Hangstabilitäten und entsprechende Gefahrenzonen verzeichnet sind und die zumindestens die Informationen über besondere Risikozonen liefern. Inwieweit den Menschen der überbevölkerten und armen Länder diese Information allerdings nutzt, sei dahin gestellt.

Durch Aufforstungen, Entwässerungsmaßnahmen oder Stützmauern versucht man, erdrutschgefährdete Hänge zu stabilisieren und dadurch bedrohte Siedlungen zu schützen. Allerdings haben auch diese Maßnahmen ihre Grenzen. Die „Riesen“ unter den Erdrutschen, bei denen sich Millionen Kubikmeter Erde auf einmal lösen, lassen sich durch solche Methoden nicht aufhalten.

Ein Trost für die Bewohner betroffener Gebiete: Erdrutsche geschehen zwar meist plötzlich, sind aber oft vorhersagbar. Oft zeigen sich in den Hängen schon vor einem solchen Ereignis langsame Bewegungen des Erdreichs oder Gesteins, mit mechanischen oder elektronischen Dehnungs- und Neigungsmessern können diese gemessen werden. Einfache „Faustregeln“ , ab wann die Bewegung einen kritischen Wert erreicht, gibt es allerdings nicht.

So beschreibt Edmund Krauter einen Fall, bei dem sich eine Felsspalte in einer Böschung innerhalb weniger Tage um rund 150 Zentimeter weitete- ein akutes Gefahrensignal. Schnellstens wurde eine Umleitung für die unterhalb der Gefahrenzone vorbeiführende Straße eingerichtet. Aber die Bewegungen hörten auf, noch während die Arbeiten daran imgamge waren. Heute, zwanzig Jahre später, steht die Böschung immer noch.

Weitaus häufiger aber kann die rechtzeitige Warnung viele Menschenleben retten. Im norditalienischen Addatal (Veltlin) ereignete sich 1987 eine verheerende Felsrutschung, die ein im Tal liegendes Dorf vollständig unter sich begrub. Dennoch kamen nur acht Dorfbewohner ums Leben. Durch die Überwachung des als rutschgefährdet eingestuften Hanges konnten insgesamt 30 000 Menschen rechtzeitig gewarnt und evakuiert werden. Die acht Todesopfer hatten diese Warnungen mißachtet und waren im Ort geblieben.

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Stand: 20.01.2004

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