Am tiefsten in den Mars hinein blickt die Landesonde Mars InSight mit einem Experiment, das nicht einmal Extra-Sensoren benötigt: Das Rotation and Interior Structure Experiment (RISE) nutzt für seine Messungen die Radiokommunikation zwischen der Sonde und der Bodenstation auf der Erde. Mit ihrer Hilfe wollen Planetenforscher herausfinden, ob der Marskern flüssig ist und wie groß er sein könnte.
Doppeltes Taumeln
Das Prinzip dahinter: Die meisten Planeten rotieren nicht perfekt gleichmäßig, sondern eiern wie ein taumelnder Kreisel. Ihre Rotationsachse verändert dadurch im Verlauf von Jahren bis Jahrtausenden ihre Neigung und vollführt in Bezug auf den Sternenhintergrund einen kleinen Kreis. Dieses Taumeln wird als Präzession bezeichnet. Bei der Erde dauert ein solcher Präzessionszyklus gut 25.000 Jahre. Überlagert wird diese langfristige Taumelbewegung von der Nutation – einem deutlich schwächeren, kürzeren „Nicken“ der Rotationsachse.
Das Spannende daran: Beide Taumelbewegungen verraten einiges über die innere Beschaffenheit eines Planeten. „Das Tempo der Präzession hängt direkt davon ab, wie viel Masse nahe des Planetenzentrums konzentriert ist – im eisenhaltigen Kern“, so die NASA. Die Präzession des Mars kann daher darüber Auskunft darüber geben, wie groß sein Kern ist. Bisher liegen die Schätzungen zu seinem Durchmesser zwischen 3.000 und 4.000 Kilometer.
Die kurzperiodische Nutation dagegen könnte verraten, in welchem Zustand der Innere des Mars ist: fest oder flüssig. Ähnlich wie ein rohes Ei anders rotiert als ein gekochtes, beeinflusst auch der Aggregatzustand des marsianischen Kerns seine Rotation. Bisher vermuten Planetenforscher, dass zumindest ein Teil des Marskerns flüssig sein muss. Hinweise darauf haben geophysikalische Modelle und Gravitationsmessungen durch Orbitersonden geliefert. Doch wie groß der flüssige Anteil ist und welche Elemente neben Eisen noch im Marskern vorhanden sind, ist bisher unbekannt.
Doppler-Effekt verrät Kernzustand
Jetzt soll das RISE-Experiment des Mars InSight in Verbindung mit den seismischen Messungen des SEIS-Instruments endlich mehr Klarheit schaffen. Das Prinzip hinter den RISE-Messungen: Die Eigenbewegung des Mars und die Schwankungen seiner Rotation beeinflussen die Wellenlängen der von der Marssonde abgestrahlten Radiosignale. Die Teleskope des Deep-Space-Network der NASA auf der Erde fangen diese Signale im Frequenzbereich um acht Gigahertz auf und analysieren die subtilen Verschiebungen durch den Doppler-Effekt.
Auf gleiche Weise haben Planetenforscher schon im Jahr 1997 erste Daten zur Präzession des Mars gesammelt. Damals nutzten sie über drei Monate hinweg die Radioverbindung des Rovers Mars Pathfinder, um die winzigen Veränderungen der Rotationsachse zu detektieren. Für eine Messung der Nutation waren die damaligen Messungen jedoch zu kurz. Weil die seither auf dem Mars gelandeten Rover zudem ständig in Bewegung sind, eignen sich ihre Radiosignale nicht für Langzeit- Messungen. Mars InSight dagegen ist stationär. Mindestens ein Jahr lang sollen seine Signale daher für RISE ausgewertet werden.
Nadja Podbregar
Stand: 04.05.2018