Sie scheinen verlockend nah: Inzwischen ist klar, dass es in unserer Nähe gleich mehrere Sterne mit potenziell lebensfreundlichen Planeten gibt. Selbst Proxima Centauri, unser nächster stellarer Nachbar, besitzt einen solchen Erdzwilling. Und der 40 Lichtjahre entfernte Rote Zwerg TRAPPIST-1 wird sogar von gleich sieben erdähnlichen Planeten umkreist.
Ein Flug zu diesen nahen Erdzwillingen erscheint daher als logischer nächster Schritt für die künftige Raumfahrt. Interstellare Sonden könnten diese Exoplaneten näher erkunden und beispielsweise herausfinden, ob es auf ihnen möglicherweise Leben gibt. Und irgendwann könnten dann sogar Astronauten diese fremden Welten erkunden – so die Vision.
Enorme Herausforderungen
Doch die Herausforderungen sind enorm: Selbst der uns nächste Stern, Proxima Centauri, liegt so weit weg, dass sogar sein Licht vier Jahre zu uns benötigt. Die Raumsonde Voyager 1, das erste menschengemachte Objekt, das je in den interstellaren Raum vorgedrungen ist, ist im Vergleich dazu eine Schnecke: Sie hat knapp 40 Jahre für ihren Flug an den Rand des Sonnensystems gebraucht. Um unseren Nachbarstern zu erreichen, wäre sie gut 70.000 Jahre unterwegs. Und selbst mit heutigen Plasma- und Ionen-Antrieben bräuchte eine Sonde nach Schätzungen von Experten noch rund 40.000 Jahre.
Dazu kommt der gigantische Energiebedarf für eine solche Reise: Um ein interstellares Raumschiff ausreichend zu beschleunigen, wären entweder gewaltige Mengen an Treibstoff nötig oder aber eine Technologie, die irgendwie ihre Energie aus dem Weltraum selbst gewinnt – bisher ist das aber reine Utopie. Und die vielleicht größte Hürde: Im Moment können sich die großen Raumfahrtagenturen noch nicht einmal dazu durchringen, bemannte Missionen zum Mond oder Mars mit entsprechend Geld und Personal effektiv voranzutreiben. Dass sie die immensen Kosten und den gigantischen Aufwand einer interstellaren Mission stemmen können oder wollen, erscheint da fast schon illusorisch.
Aufbruchsstimmung
Trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – sind in den letzten Jahren gleich mehrere Initiativen und Projekte entstanden, die eine interstellare Raumfahrt vorantreiben wollen. Meist sind es Gruppen von Raumfahrtenthusiasten, ehemalige Astronauten oder NASA-Mitarbeiter, die ungeachtet der Herausforderungen an Möglichkeiten tüfteln, wie ein unbemannter oder sogar bemannter Flug zu den Sternen gelingen könnte.
„Da sind viele ernsthafte Wissenschaftler und Ingenieure dabei, die sich der Idee des interstellaren Reisens verschrieben haben“, sagt Les Johnson vom Marshall Space Flight Center der NASA. „Auch wenn es bisher dafür kaum finanzielle Förderung gibt, tüfteln hieran nicht nur irgendwelche Laien in ihrer Garage.“ Den Forschern geht es darum, erst einmal Lösungen für die technischen Probleme zu finden. Ist das gelungen, kommen die Gelder schon irgendwoher – so ihre Hoffnung.
„Es wird unausweichlich kommen“
„Tatsächlich werden viele der Grundlagen für ein Sternenschiff bereits gelegt. Inzwischen hat es sogar einen Punkt erreicht, an dem ich denke, dass ein solcher Flug unausweichlich kommen wird. Er wird passieren“, konstatierte vor kurzem Gerald Webb von der British Planetary Society im Magazin „Air and Space“.
Ähnlich optimistisch sieht es Mae Jemison, ehemalige US-Astronautin und heute Leiterin des 100-Year Starship-Projekts: „Ich bin mir sicher, dass wir diese Möglichkeiten schaffen werden. Das ist zwar eine ziemlich forsche Aussage, aber ich denke da immer an die erste Mondlandung: Als US-Präsident John F. Kennedy im Jahr 1961 vorschlug, bis Ende des Jahrzehnts einen Menschen auf dem Mond zu schicken, hatten wir es gerade einmal knapp geschafft, einen Suborbitalflug zu lancieren.“
NASA-Physiker Johnson hat sogar schon eine relativ konkrete Vorstellung davon, wann die ersten Flüge über unser Sonnensystem hinaus Wirklichkeit werden könnten: Er schätzt, dass schon in wenigen Jahrzehnten erste Missionen in Entfernungen von 250 bis 1.000 astronomischen Einheiten startbereit sein könnten. Solche substellaren Missionen würden immerhin zwei bis acht Mal weiter kommen als Voyager heute.
Nadja Podbregar
Stand: 23.02.2018