Klar scheint: Vor der Versuchung, Daten zu schönen, manipulieren oder fälschen, ist kein Forschender gefeit. Kommen dann Erfolgsdruck, Ehrgeiz, mangelnde Kontrolle im Institut und bei den Fachjournalen dazu, bleiben Fälle von wissenschaftlichem Fehlverhalten nicht aus.
Es werden mehr erwischt
Das Positive aber: Auch das Bewusstsein für die Gefahr solcher „Sündenfälle“ wächst allmählich – und damit offenbar auch die Aufklärungsquote. „Neue Technologien, eine Kultur des Sharing, der Transparenz und der öffentlichen Kritik bieten heute nie dagewesene Chancen, die Wissenschaft von Fakes und Manipulationen zu säubern“, meint Daniele Fanelli von der Stanford University.
Und tatsächlich: Ob durch Peer-Review, Whistleblower oder eine mangelnde Reproduzierbarkeit – inzwischen werden immer mehr Fälscher ertappt, wie Ferric Fang und seine Kollegen bei ihrer Studie feststellten. Demnach hat sich die Zahl der wegen Betrugs zurückgezogenen Fachartikel seit den 1970er Jahren zwar verzehnfacht – aber nicht unbedingt, weil mehr geschummelt wird. Stattdessen führen die Forscher den Anstieg primär auf eine bessere Aufklärungsquote zurück.
Dafür spricht, dass die Retraktionen besonders stark in die Höhe schnellten, als in den USA das Office of Scientific Integrity gegründet wurde – ein speziell der Aufdeckung von wissenschaftlichem Fehlverhalten gewidmetes Institut.
Fachjournale reagieren
Viele Fachjournale sind inzwischen zudem für das Thema sensibilisiert: Sie prüfen nicht nur die neu eingereichten Manuskripte, sondern auch vergangene Publikationen der Autoren und mögliche Vorwürfe des Fehlverhaltens. Um die Reproduzierbarkeit sicherzustellen und die Überprüfung durch Kollegen zu erleichtern, stellen immer mehr Wissenschaftler begleitend zu ihrer Veröffentlichung auch ihre Rohdaten ins Netz – bei einigen Fachjournalen ist dies inzwischen sogar Usus.
Fanelli hält aber noch eine weitere Maßnahme für nötig: Journale sollten Autoren die Möglichkeit geben, auch von sich aus Artikel zurückzuziehen – ohne negative Folgen oder Strafen. Denn immerhin rund 20 Prozent der Retraktionen beruhen nicht auf Betrug, sondern auf ehrlichen Fehlern, wie er in seiner Studie feststellte. „Wenn Wissenschaftler ihre fehlerhaften Arbeiten selbst zurückziehen, erspart das anderen Forschern Zeit und Geld für sinnlose Forschung – und verhindert aufwändige Untersuchungen wegen Fehlverhaltens“, so Fanelli.
Fokus auf Aufklärung und Transparenz
Ein Umdenken gibt es inzwischen auch bei vielen Instituten und Forschungsorganisationen. So bekämpfen einige den Druck des „Publish or perish“ damit, dass sie bei Bewerbungen für wissenschaftliche Positionen nicht mehr auf die Quantität der Publikationen setzen. Stattdessen darf jeder Bewerber nur noch zwei bis fünf Artikel als „Arbeitsprobe“ einreichen – es zählt die Qualität.
In den USA setzt man zudem auf Aufklärung: Die National Science Foundation(NSF) und die National Institutes of Health (NIH) fordern von allen durch sie geförderten Instituten und Arbeitsgruppen den Nachweis spezieller Schulungen: Mitarbeiter und Forschende müssen Kurse durchlaufen, die sich mit verantwortungsvoller Wissenschaft und Fehlverhalten auseinandersetzen. Gruppenleiter und Betreuer von Juniorforschern erhalten zusätzliche Trainings.
Denn: Häufig sind sie es, deren Vorgaben, hierarchiebewusstes Verhalten und mangelnde Kontrolle erst ein günstiges Umfeld für Manipulationen schaffen. Tatsächlich ergab 2008 eine Stichprobe in den Arbeitsgruppen überführter Juniorforscher: Fast drei Viertel der Studien- oder Arbeitsgruppenleiter hatten die Rohdaten ihrer Mitarbeiter nie überprüft. Schon vor Jahren wurde daher empfohlen, die Größe von Arbeitsgruppen zu beschränken – auch in der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) wurde dies diskutiert. Passiert ist in diesem Punkt bisher allerdings kaum etwas.
„Vertrauen ist die Basis“
Doch bei aller Kontrolle basiert das System Wissenschaft auch zu einem großen Teil auf simplem Vertrauen, betont der US-Genetiker Michael White: „Der Professor, der das Labor leitet, vertraut darauf, dass seine Doktoranden die Daten und Ergebnisse nicht gefälscht haben. Die Gutachter der Fachjournale verlassen sich darauf, dass die Autoren tatsächlich die Methoden genutzt haben, die sie im Manuskript beschreiben.“
Und nicht zuletzt: Die Öffentlichkeit und die Forschenden selbst müssen darauf vertrauen können, dass die Unmengen an neuen Publikationen, mit denen sie Woche für Woche konfrontiert sind, nicht absichtlich darauf ausgelegt sind, sie zu täuschen. Transparenz, Wachsamkeit und ein Wandel der Forschungskultur hin zu einem Zulassen auch von Verzögerungen und Fehlern könnten dazu beitragen, dieses Vertrauen zu erhalten.
Nadja Podbregar
Stand: 02.02.2018