Neben den biochemischen und genetischen Daten stellen Bilddaten aus den unterschiedlichsten Untersuchungen eine weitere wichtige Säule der digitalen Medizin dar. Der Informatiker Nassir Navab entwickelt beispielsweise zusammen mit mehreren Teams aus Informatikern und Ärzten Anlagen, mit denen ein Chirurg während der OP ins Innere des Patienten blicken kann.
Mittendrin statt Nebendran
Bisher gibt es für den Chirurgen nur den Blick von außen, wenn er zum Schnitt ansetzt, beispielsweise um gesplitterte Knochen wieder zusammenzufügen. Die Röntgenbilder hängen an der Wand, das heißt, er muss die Daten in seinem eigenen Gehirn zusammenführen und die Schnitte entsprechend planen. In Zukunft bekommt der Chirurg die genaue Lage der Knochenfragmente in eine Datenbrille eingeblendet. Er kann damit sehr viel präziser navigieren, und das System kann ihn beispielsweise warnen, wenn er zu nahe an ein Blutgefäß oder eine Nervenbahn kommt.
Um das technisch zu verwirklichen, überlagern die Forscher die realen Bilder des Patienten millimetergenau mit den vorher gemachten dreidimensionalen Computertomografie-Aufnahmen. Dazu muss der Computer die Position des Chirurgen und seiner Instrumente räumlich registrieren, damit die Perspektive stimmt, auch wenn der Operateur sich bewegt. Ein Kamerasystem erfasst dazu alle Positionen. Die Synthese funktioniert über eine hochpräzise räumliche Aufbereitung der verschiedenen digitalisierten Daten.
Lebensechter Blick durch die Haut
In die Datenbrille sind zwei Farbkameras integriert, die das Livebild aufnehmen. Sie sind leicht versetzt angebracht – wie zwei Augen. Dadurch wird das zusammengesetzte Bild beider Kameras dreidimensional. Das System muss jede Bewegung des Chirurgen in Echtzeit wiedergeben können, ein leistungsfähiger Computer ist daher essentiell. Für den Chirurgen entsteht in der Datenbrille der Eindruck, als blicke er durch die Haut hindurch in die verschiedenen Schichten des Körpers, dreidimensional und farbig.
Was wie Science-Fiction anmutet, befindet sich schon in der Erprobung. „Unser Ziel ist ein System, das dem Arzt während der OP ein dreidimensionales Bild des Körperinneren und seiner Instrumente zeigt – und zwar nicht auf einem zusätzlichen Bildschirm, sondern direkt beim Blick auf den Patienten“, sagt Navab. „Natürlich muss das System leicht bedienbar sein und nicht zu viel störende Technik beinhalten. Das testen wir regelmäßig mit unseren Kollegen aus der Chirurgie.“
TU München
Stand: 05.01.2018