Die große Mehrheit aller Deutschen wünscht sich an keinem Tag im Jahr so sehr eine winterlich verschneite Landschaft wie am Heiligen Abend. Aus diesem Traum von der weißen Weihnacht wird aber in den meisten Fällen nichts, in Deutschland ist eher grüne Weihnacht die Regel. Wie kommt es, dass ausgerechnet zu Weihnachten so selten mit Schnee zu rechnen ist?
In Deutschland ist der Dezember kein typischer Wintermonat. Im ersten Monatsdrittel liegen die Tagestemperaturen meist mehrere Grad über dem Gefrierpunkt, und die Nächte sind oft noch frostfrei. Erst nach der Mitte des Monats wird es merklich kühler und eine dünne Schneedecke kann entstehen. Leider hält dieses Wetter nicht lange an. Pünktlich zu den Feiertagen wird es wieder wärmer und die weiße Pracht schmilzt dahin, wenn es denn bis dahin überhaupt geschneit hat. Daran Schuld ist in der Regel ein starkes Tiefdruckgebiet über Island, das osteuropäische Kaltluftmassen von Deutschland fernhält.
Dieses sogenannte Weihnachtstauwetter tritt bei uns sehr häufig auf. Dabei stößt nach einer Kälteperiode durch die so genannte Weihnachtszyklone milde Meeresluft bis weit auf den Kontinent vor und sorgt so für einen Wärmerückfall in der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr. Häufig wehen milde Südwestwinde, die sogar in höheren Lagen zur Schneeschmelze führen.
Richtige Wetterlage zur richtigen Zeit
Damit es Weihnachten bei uns kalt ist, muss eine bestimmte Wetterlage über Europa zur richtigen Zeit entstehen. Liegt ein Hochdruckgebiet über Schweden und ein Tiefdruckgebiet über Italien, bekommt Deutschland sehr kalte Luft aus Ost bis Nordost ab. Dann werden Kaltluftmassen aus Russland, wo kontinentales Klima mit extremen Wintern herrscht, nach Mitteleuropa geführt. Auch ein Hoch über Russland kann ein Garant für beständige Kälte sein, während ein ausgedehntes Tief über dem Atlantik für mildes und regnerisches Wetter sorgt.
Um Prognosen für das zukünftige Wetter zu machen, analysieren die Meteorologen das Wetter der Vergangenheit. Dabei haben sie herausgefunden, dass sich das Island-Tief, das die osteuropäische Kaltluft von Mitteleuropa fernhält, alle sieben bis neun Jahre abschwächt. Die russischen Luftmassen können uns dann einen strengen Winter bescheren. In so einem Fall sind die Chancen auf eine weiße Weihnacht gut. Statistisch gesehen, liegt aber durchschnittlich nur alle zehn Jahre zu Weihnachten Schnee. Daran wird deutlich, dass nicht nur das Island-Tief alleine für die grüne Weihnacht verantwortlich ist. Zudem ist die Schneewahrscheinlichkeit für die verschiedenen Regionen Deutschlands unterschiedlich, zum Beispiel ist die Wahrscheinlichkeit am Alpenrand verständlicherweise viel höher als an der Küste.
Weihnachtstauwetter als Singularität
Diese regelmäßig wiederkehrenden Wetterlagen oder Witterungserscheinungen, die mit einer hohen statistischen Wahrscheinlichkeit aufzutreten pflegen, bezeichnen die Klimaforscher als Singularitäten. Nicht nur das Weihnachtstauwetter ist so eine Singularität, ebenso die Kaltlufteinbrüche Ende Mai (Eisheilige), die Schafskälte und der Altweibersommer.
Das milde Wetter um die Weihnachtszeit ist jedoch nicht unbedingt eine Folge von globalen Klimaveränderungen. Aus dem Mittelalter ist überliefert, dass regelmäßig zur Weihnachtszeit Menschen im Rhein bei Schaffhausen schwimmen gegangen sind – von Schnee und Eis weit und breit keine Spur. Wir müssen uns wohl damit abfinden, dass hierzulande der Traum von der weißen Weihnacht nur selten Realität wird.
Stand: 17.12.2010