Auf den ersten Blick sieht man dem nordöstlich von Frankfurt am Main liegenden Vogelsberg seine explosive Vergangenheit nicht an: Nur sehr sanft steigt er bis zu seinem höchsten Gipfel, dem Taufstein an. Seine Hänge sind dicht bewachsen, Bäche rauschen in schmalen Tälern zu Tal. Und auch in der Umgebung des Mittelgebirges erinnert zunächst nichts an Schlote, Lavaströme oder andere aus Vulkangebieten bekannte Phänomene.
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Doch dieser erste Eindruck täuscht. Denn erkundet man diese Gegend genauer, dann fallen einige verräterische Hinweise ins Auge: ganze Wände aus eckigen Basaltsäulen, Steinbrüche, in denen erstarrte Lavaströme zutage tritt und Hügelkuppen, die sich als Reste alter Vulkanschlote entpuppen. Diese geologischen Indizien machen klar: Hier lag einst ein großes, ziemlich aktives Vulkangebiet.
Kruste unter Druck
Die aktive Zeit des Vogelsberg-Vulkans liegt noch gar nicht so lange zurück – zumindest wenn man in geologischen Maßstäben denkt. Entstanden ist er in der Zeit des Miozän vor etwa 19 Millionen Jahren. Damals hatte die Wanderung Afrikas nach Norden bereits begonnen, die europäische Platte geriet zunehmend unter Druck. Die gewaltigen Kräfte der Kollision hoben die Alpen empor und führten zu Brüchen in den Schwächezonen der europäischen Platte.
Der heutige Vogelsberg lag damals auf dem Kreuzungspunkt zweier solcher Schwächezonen: Die von Südwesten nach Nordosten verlaufende Taunus-Südrand-Verwerfung traf hier auf den Oberrheingraben. Durch die sich verstärkenden Spannungen im Untergrund brach an diesem Kreuzungspunkt die Erdkruste auf. Durch diese Risse im Gestein konnte Magma aus dem Erdmantel nach oben dringen.
Lavabomben und Glutlawinen
Was dann geschah, haben Geologen erst in den letzten 20 Jahren mit Hilfe mehrerer Forschungsbohrungen im Vogelsberg-Gebiet aufgeklärt. Demnach entstanden zunächst hunderte kleinere Schlote, die eine sehr zähflüssige Lava ausschleuderten. Diese war mit Asche und zerfetzten und erstarrten Lavabrocken verschiedener Größe vermischt.
Vergleichbar sind diese Ausbrüche mit denen des Mount St. Helens im Jahr 1980 oder der Eruption des Vesuv, die 79 nach Christus die Städte Pompeji und Herculaneum unter sich begrub. Bei den explosiven Eruptionen am Vogelsberg bildeten sich auch Glutlawinen, Ströme aus heißer Asche und glühendem Staub und Gesteinsbrocken, die rasend schnell die Vulkanhänge hinunterrasten.
Spuren im Steinbruch
Zeugnis dieser dramatischen Eruptionen geben bis heute Ablagerungen – unter anderem im ehemaligen Steinbruch Michelnau im Vogelsbergs-Gebiet. Hier wurde über hundert Jahre lang der rötlich gefärbte Michelnauer Tuff abgebaut – ein poröses, aus festen vulkanischen Auswurfprodukten unterschiedlicher Größe zusammengefügtes Gestein.
Im angeschnittenen Gestein sind bis heute größere Brocken – sogenannte Lavabomben – zu erkennen. Sie wurden beim Ausbruch des nahegelegenen Schlotes als Ganzes aus dem Vulkan ausgeschleudert. Dazwischen liegen Bereiche, in denen das Gestein von vielen kleinen Hohlräumen durchsetzt ist. Sie entstanden durch in der Lava und Asche eingeschlossene vulkanische Gase. Seine rote Farbe erhält dieser Tuff durch einen hohen Eisengehalt.
Nadja Podbregar
Stand: 03.11.2017