Für uns ist es heute selbstverständlich: Der Strom, der aus unseren Steckdosen kommt, unsere Geräte antreibt und Lampen zum Leuchten bringt, ist Wechselstrom. Bei ihm ändert sich die Fließrichtung der Elektronen rund 50 Mal in der Sekunde. Auch in anderen Ländern weltweit ist heute der Wechselstrom Standard. Dass dies so ist, verdanken wir zum großen Teil Nikola Tesla und seinen Erfindungen.
Mit Glühlampe und Gleichstrom
In den 1880er Jahren ist die Elektrizität noch ein ganz neues Phänomen. Die ersten elektrischen Straßenlaternen existieren erst seit wenigen Jahren und auch nur in größeren Städten. In den meisten Gebäuden und Privathaushalten gibt es noch keinen Strom, Gaslampen sorgen für Licht. Erst mit der Erfindung der Kohlenfaden-Glühlampe durch Thomas Edison und den ersten von seiner Firma in den USA errichteten Kraftwerken ändert sich dies allmählich.
Doch es gibt ein Problem: Es herrscht keine Einigkeit über den technischen Standard der Elektrizitätsversorgung. Edison produziert und verkauft Gleichstrom der Spannung 110 Volt, die Abnehmer seiner Glühlampen bekommen dabei den Anschluss an sein Stromnetz gleich mit. Der große Nachteil dieser Technologie ist allerdings die geringe Übertragungsreichweite: Um seine Abnehmer zu versorgen, muss Edison überall Kraftwerke bauen – eine teure Angelegenheit. Außerdem lässt sich die Gleichspannung nicht ohne Weiteres transformieren. Benötigt eine Anlage eine abweichende Spannung, muss diese eigens erzeugt und über eine eigene Leitung geliefert werden.
Kampf der Systeme
Deshalb setzt Edisons Konkurrent Georges Westinghouse auf Wechselstrom – und auf Nikola Tesla. Dessen Mehrphasen-Generatoren liefern dem Unternehmer genau die Technologie, die er für sein Wechselstromnetz braucht. Zudem hat Tesla inzwischen weitere Patente eingereicht, in denen er auf seiner ersten Erfindung aufbauende Transformatoren und Übertragungstechnologien beschreibt. Westinghouse nutzt die Chance und kauft Tesla die Patentrechte im Jahr 1888 ab. Außerdem sichert er sich dessen Hilfe beim Ausbau seiner Stromnetze.
Als Westinghouse dann noch eine Glühlampenfabrik akquiriert und damit Edisons Monopol bricht, bricht ein erbitterter und mit allen Mitteln geführter Wirtschaftskrieg aus. Edison versucht durch Prozesse, Pressekampagnen und finanzielle Einflussnahme, die Ausbreitung des Wechselstroms um jeden Preis zu verhindern. „Edison erklärte allen, dass die Gleichspannung wie ein friedlich dahinströmender Fluss sei, während die Wechselspannung einem gefährlichen Sturzbach gleiche, der über eine Klippe stürzt“, erinnert sich Westinghouse später.
Noch rufschädigender für Westinghouse und Tesla ist die erste Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl. Edisons Kompagnon Harold Brown nutzt dafür einen Wechselstrom-Generator von Tesla und demonstriert so öffentlichkeitswirksam die Gefährlichkeit der konkurrierenden Stromtechnologie.
Der Wechselstrom setzt sich durch
Doch Edisons Bemühungen, den Wechselstrom zu diskreditieren, können nicht über dessen praktische Vorteile hinwegtäuschen. Im Jahr 1891 wird bei der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt am Main erstmals eine leistungsstarke Fernübertragung von hochgespannten Drehstrom demonstriert – vom 176 Kilometer entfernten Kraftwerk in Lauffen am Neckar nach Frankfurt. In Deutschland stellt dies die Weichen für den Wechselstrom als Grundlage der Elektrizitätsversorgung.
In den USA landen Tesla und Westinghouse kurz darauf einen entscheidenden Coup: Sie bekommen den Zuschlag zur Stromversorgung der Weltausstellung in Chicago. Als sie am 1.Mai 1893 eröffnet wird, leuchten in der „City of Light“ tausende von Lampen – versorgt von zwölf leistungsstarken Wechselstrom-Generatoren nach Teslas Prinzip. Den rund 27 Millionen Besuchern wird so eindrücklich demonstriert, wie leistungsfähig und zukunftsträchtig diese Form der Elektrizität ist.
Das endgültige Ende für Edisons Gleichstrom bringt ein weiteres erfolgreiches Projekt von Tesla und Westinghouse: das Niagarafälle-Wasserkraftwerk. Nach fünf Jahren Entwicklungszeit geht das Werk am 16. November 1896 in Betrieb und liefert Wechselstrom in die nahe Stadt Buffalo, später auch bis nach New York. Der Stromkrieg ist damit vorbei: Selbst Edisons Netze stellen nun endgültig auf Wechselstrom um.
Nadja Podbregar
Stand: 27.10.2017