Welchen und wie viel Zucker wir zu uns nehmen, spielt nicht nur für unseren Energiehaushalt und unseren Körper eine Rolle. Auch unser Gehirn spürt die Auswirkungen – und dies gleich auf mehrfache Weise. Denn Fructose und fructosehaltige Süßungsmittel beeinflussen unseren Appetit, die Verknüpfungen in unserem Gehirn und sogar unser Gedächtnis.
Appetitzentrum funkt weiter
Was beim Zuckergenuss im Gehirn geschieht, haben unter anderem Forscher der Yale University an 20 gesunden, jungen Probanden untersucht. Diese bekamen entweder einen Glucose- oder einen Fructosetrunk und unterzogen sich anschließend einem Hirnscan im funktionellen Magnetresonanz-Tomografen. Zusätzlich untersuchten die Forscher, wie viele Sättigungshormone – darunter auch Insulin – nach dem Trinken in ihrem Blut kursierten und wie satt sich die Teilnehmer fühlten.
Es zeigte sich: Die Glucose löste eine typische Sättigungsreaktion im Gehirn aus. Areale im Hypothalamus, der Insula und dem Striatum, die normalerweise Appetit erzeugen, wurden durch den Traubenzucker heruntergeregelt. Gleichzeitig verstärkten sich funktionelle Verknüpfungen zu Hirnarealen, die Sättigung signalisieren. Unterstützt wurde dies durch die ins Blut freigesetzten Sättigungshormone, wie die Forscher berichten.
Anders dagegen bei der Fructose: Hier blieben die Appetit-Schaltkreise auch nach dem Zuckerkonsum aktiv. Im Blut der Teilnehmer kreisten zudem deutlich weniger Sättigungshormone. Als Folge fühlten sie sich auch weniger satt. „Das deutet darauf hin, dass Fructose die Lust aufs Essen eher verstärkt und dadurch auch die Nahrungsaufnahme“, sagt Kathleeen Page von der Yale University. Tatsächlich führt der Fructose-Genuss bei Ratten dazu, dass diese ungehemmt weiter fressen, selbst wenn sie eigentlich längst satt sein müssten.
Vergesslicher durch Limonade
Doch das ist noch nicht alles. Mehrere Studien haben inzwischen gezeigt, dass zugesetzte Fructose bei langfristiger Einnahme auch das Gedächtnis zu schwächen scheint. So beispielsweise bei 4.000 Teilnehmern einer US-Langzeitstudie: Hatten diese jahrelang täglich mehr als zwei gesüßte Limonaden, Eistees oder andere Softdrinks konsumiert, fanden die Wissenschaftler deutliche Anzeichen für ein verschlechtertes episodisches Gedächtnis. Auch das Volumen des für das Gedächtnis wichtigen Hippocampus war bei diesen Probanden auffallend verringert.
Untermauert werden diese Daten durch Beobachtungen an Ratten. In einem Experiment lernten diese zunächst, ein Labyrinth zu durchlaufen. Dann erhielt ein Teil der Tiere statt des normalen Trinkwassers sechs Wochen lang eine schwache Fructoselösung und die Forscher testeten, ob die Ratten sich noch an den richtigen Weg im Labyrinth erinnerten.
Das Ergebnis: „Die mit Fructose gefütterten Ratten waren langsamer und ihr Gehirn zeigte eine Abnahme der synaptischen Aktivität“, berichtet Studienleiter Fernando Gomez-Pinilla von der University of California. „Das störte die Fähigkeit der Tiere, klar zu denken und sich an die vor sechs Wochen gelernte Route zu erinnern.“ Der Fruchtzucker-Konsum veränderte zudem Anlagerungen an der DNA der Gehirnzellen und beeinflusste so das Ablesen bestimmter Gene.
Gestörte Plastizität
In weiteren Studien fanden Gomez-Pinilla und seine Kollegen Indizien dafür, dass der Genuss von zu viel Fructose auch die Regeneration des Gehirns nach einer Verletzung oder einem Schlag stören kann: Der Zucker störte die Kommunikation der Neuronen untereinander und verlangsamte die Neubildung zerstörter Verbindungen. „Fructose scheint die Plastizität des Gehirns zu stören – die Bildung neuer Signalwege zwischen den Gehirnzellen, wenn wir lernen oder etwas Neues erfahren“, so der Forscher.
„Die Botschaft lässt sich in einem ganz simplen Rat zusammenfassen: Reduzieren Sie Fructose in ihrer Ernährung, wenn Sie ihr Gehirn schützen wollen“, warnt Gomez-Pinilla. Ähnlich sieht es der Neurowissenschaftler Krzysztof Czaja, der in seinen Experimenten zu ähnlichen Ergebnissen gekommen ist. Er warnt: „Die Hirnveränderungen durch diese unbalancierten Diäten scheinen langanhaltend zu sein und noch ist nicht bekannt, ob sie durch ausgeglichene Ernährung überhaupt wieder umkehrbar sind.“
Nadja Podbregar
Stand: 06.10.2017