Bei seinen Sternwarten setzte Jai Singh auf Präzision durch Redundanz: Viele der Jantar Matar in Jaipur, aber auch in den anderen Observatorien, dienten der Messung der gleichen Parameter – beispielsweise der Sonnenhöhe oder der Position bestimmter Sterne. Indem diese Messungen an mehreren Bauten parallel möglich waren, konnten die Astronomen die Werte miteinander abgleichen – und so verlässlichere und genauere Ergebnisse erzielen.
Sonnenmesser überall
Die große Sonnenuhr von Jaipur war daher keineswegs der einzige Zeitgeber oder Deklinationsmesser der Anlage. Unweit des Samrat Yantra liegt ein weiteres Treppenbauwerk, das Dakshino Bhitti Yantra. Dieses kam an den beiden Tagundnachtgleichen im Jahr zum Einsatz, weil dann die Sonnenposition mit der großen Sonnenuhr nur schwer ermittelt werden konnte. Zwei weitere Sonnenuhr-Bauwerke, das Laghu Samrat Yantra und das Nari Valaya Yantra, halfen ebenfalls dabei, die Sonnenposition und Zeit exakt zu bestimmen.
In die große Sonnenuhr integriert ist zudem ein weiteres Sonnenmess-Instrument, das Shasthansa Yantra. Dieses versteckt sich in den beiden Sockelbauten, die die Außenränder der Skalenbögen tragen. In ihrem Inneren liegt jeweils eine Kammer mit einer kleinen, kreisförmigen Öffnung in ihrer Südwand. In diese ist eine Metallplatte eingelassen, die zwei nur millimetergroße Löcher freilässt.
Diesen Lichtlöchern gegenüber liegen zwei parallele Sextantenbahnen, die einen Bogen vom Boden bis an die Nordwand bilden und genau in Nordsüdrichtung ausgerichtet sind. Scheint nun die Sonne durch das „Messloch“, fällt ein runder Lichtpunkt auf die Skalen – ähnlich wie bei dem Observatorium von Uleg Beg. Über ihn konnten die Astronomen die Horizonthöhe der Sonne und darüber beispielsweise die Zeiten der Sonnenwenden bestimmen.
Ein Wegweiser zum Polarstern
Auf Redundanz setzte Jai Singh auch bei der Sternenbeobachtung. Neben den beiden großen Doppel-Messbauten Jai Prakash und Ram Yantra, konnten seine Astronomen auf viele weitere Messinstrumente zurückgreifen. Das einfachste von ihnen, das Dhruva Darshak Yantra, besteht nur aus einer abgeschrägten Mauer mit einer Steigung von 27 Grad. Die höchste Stelle dieser Mauer ist dabei nach Norden ausgerichtet. Blickt man genau entlang der Steigung in den Himmel, zeigt sie auf den Polarstern.
Deutlich komplexer sind mehrere Bauten, die mit ihren gegliederten, teilweise beweglichen Messscheiben das Anpeilen verschiedener Sterne ermöglichten. Einige repräsentieren dabei die Himmelsmechanik auf ähnliche Weise wie ein Astrolabium. Mit ihnen konnten die Astronomen die sich im Jahresverlauf ändernde Stellung von Erde, Ekliptik und Sternen nachbilden und gezielt bestimmte Sterne anvisieren.
Zwölf statt einem: die Rashi Valaya Yantras
Auf den ersten Blick verwirrend ist eine Ansammlung von zwölf scheinbar willkürlich in den Sternwarten von Jaipur und Delhi herumstehenden „Himmelstreppen“, den Rashi Valaya Yantras. Sie ähneln in ihrem Aufbau kleineren Ausgaben der großen Sonnenuhr, ihre Gnomon-Treppen haben aber eine jeweils unterschiedliche Steigung und Ausrichtung. Der Sinn dahinter: Über die Treppen und Skalenbögen konnten die Astronomen die Position der Sonne oder der Sterne in Bezug auf die Ekliptik bestimmen – die Bahn der Tierkreiszeichen.
Jedes Instrument war so ausgerichtet, dass seine Treppe zu ausgewählten Zeiten im Jahr genau der Achse der Ekliptik entsprach. Dadurch war immer eines der zwölf Bauten einsatzbereit. Das Geniale daran: Statt die Bewegung der Erde durch ein einziges, verstellbares Instrument auszugleichen, konstruierte Jai Singh zwölf feste Bauten, die zusammen die gleiche Funktion erfüllten.
Nadja Podbregar
Stand: 15.09.2017