Mitte Oktober 2012. Über der westlichen Karibik braut sich ein Tiefdrucksystem zusammen und wächst schnell zu einem ausgewachsenen Hurrikan heran – „Sandy“ ist geboren. Wenige Tage später zieht der Wirbelsturm über Kuba hinweg – als schlimmster Hurrikan seit 1963. Dann jedoch geschieht etwas Unerwartetes: Statt im Golf von Mexiko zu bleiben, biegt Sandy nach Nordosten ab und zieht parallel zur US-Ostküste weiter nach Norden – der Hurrikan wird zum „Ausreißer“.
Die Folgen eines Supersturms
Am 28. Oktober vereint sich Sandy mit einem Wintersturm und wächst zu einem wahren Giganten heran: Sein Wolkenwirbel reicht nun von South Carolina im Süden bis zur kanadischen Grenze im Norden – er hat einen Durchmesser von mehr als 1.850 Kilometern. Er ist damit einer der größten Wirbelstürme in der US-Geschichte – und wird einer der folgenreichsten. Denn der Supersturm steuert geradewegs auf die Millionenmetropole New York zu.
Wenige Tage später ist die Bilanz des Sturms verheerend: Die gesamte Ostküste der USA hat schwere Schäden erlitten, ganze Strandabschnitte sind durch die bis zu sieben Meter hohen Wellen komplett wegespült, Städte stehen unter Wasser. Allein in New York City werden tausende von Gebäuden beschädigt oder zerstört, U-Bahn-Tunnel laufen voll, Straßen sind unpassierbar und Stromleitungen herabgerissen. Die Wucht von Wind und Wellen sorgt in ganz Nordamerika für messbare seismische Erschütterungen.
Künftig keine Ausnahme mehr
Für die US-Ostküste und New York waren solche Stürme bisher die absolute Ausnahme – liegen sie doch nördlich der üblichen Hurrikan-Zugbahnen. Doch das wird nicht so bleiben. Schon jetzt hat sich die Sturmflutgefahr für New York durch solche Superstürme gegenüber dem Jahr 1800 verdreifacht, wie Forscher 2016 ermittelten.
Und dies aus zwei Gründen. Zum einen verschieben sich mit dem Klimawandel die Bereiche im Meer, die ausreichend warm sind, um als „Brutgebiet“ für Hurrikans und Taifune zu dienen. Zum anderen aber verändern sich auch die Luftströmungen in der Atmosphäre – und damit die Kräfte, die das Verhalten der Stürme mitbestimmen. Wie sich dies speziell auf die Zugbahnen der Wirbelstürme auswirkt, haben in den letzten Jahren mehrere Forscherteams untersucht.
Nach Norden abgebogen
Das Ergebnis: Die Zugbahnen der Wirbelstürme haben sich schon jetzt messbar verändert. So ziehen die karibischen Hurrikans heute seltener nach Westen und über Mittelamerika hinweg als noch vor einigen hundert Jahren. Stattdessen biegen sie meist schon vorher nach Norden ab. Als Folge sind vor allem Florida und andere Küstenabschnitte an der US-Südostküste immer häufiger von Wirbelstürmen betroffen, wie Lisa Baldini von der Durham University und ihre Kollegen feststellten.
Die Ursache für diese „Umleitung“ sehen die Forscher im Klimawandel: Durch die Erwärmung haben sich die intertropische Konvergenzzone und die Zone der sogenannten Hadleyzellen weiter nach Norden verschoben – und sie nehmen die Hurrikans sozusagen mit. Dieser Nordwärts-Trend könnte sich in Zukunft weiter verstärken. Damit erhöht sich das Sturmrisiko auch für die Nordostküste der USA drastisch, warnen die Forscher. Stürme wie „Sandy“ wären dann keine Ausnahme mehr.
Hotspots wandern polwärts
Und nicht nur das: Auch die Orte, an denen die Wirbelstürme ihre größte Intensität erreichen, verschieben sich immer weiter in Richtung der Pole. Auf der Nordhalbkugel rücken diese Sturmhotspots bereits um 53 Kilometer pro Jahrzehnt nach Norden vor, auf der Südhalbkugel um 62 Kilometer nach Süden, wie James Kossin vom National Climatic Data Center in Madison und seine Kollegen herausgefunden haben. Am stärksten ist dieser Trend im Nordwest-Pazifik, etwas schwächer im Nordatlantik und Ostpazifik.
Für diese Polwanderung der Wirbelsturm-Hotspots könnten zwei Faktoren verantwortlich sein: Zum einen wirkt sich auch hier die Ausdehnung der Hurrikan-„Wiegen“ durch die sich erwärmenden Meere ause. Zum anderen haben durch den Klimawandel die Scherwinde in den Tropen zugenommen, in den angrenzenden Gebieten aber abgenommen. Weil ein zu starker Seitenwind die Bildung der Sturmwirbel behindert, könnte dies ebenfalls die Verlagerung der Sturmhotspots erklären.
Klar scheint damit: In Zukunft müssen sich auch die Küstenregionen auf Wirbelstürme einstellen, die bisher außerhalb der Gefahrenzone lagen.
Nadja Podbregar
Stand: 01.09.2017