Die Geschichte wirft zum Teil ein sehr düsteres Bild auf Raben und Krähen. Ihren schlechten Ruf bekamen die schwarzen Unglücksboten im Laufe des Mittelalters: Weil die Hinrichtungsstätten für die aasfressenden Tiere eine willkommene Speisetafel darstellten, waren sie bald als Galgenvögel und böses Omen verschrien. Bis heute sorgen Krähen und Raben bei so manchem für Unbehagen. Schließlich lebt ihre düstere Mystifizierung in vielen Büchern und Filmen aus dem Fantasy-Bereich weiter.
Unvergessen ist für Viele auch ihr Auftritt in Alfred Hitchcocks Tier-Schocker „Die Vögel“: Wenn sich auf einem Gerüst hinter der ahnungslosen Protagonistin nach und nach dutzende der schwarzgefiederten Tiere niederlassen inszeniert der Meisterregisseur die neugierigen Vögel als unheimliche Bedrohung – und lässt sie kurz darauf als wütenden Schwarm eine Gruppe Schulkinder attackieren.
Die Mär vom schlauen Vogel?
Allmählich kommt die wahre Natur der Rabenvögel wieder zum Vorschein. Ihre Weisheit wurde schon in den nordischen Sagen um Göttervater Odin angedeutet. Dieser konnte auf den weisen Rat von seinen zwei Raben Hugin und Munin vertrauen, die für die beiden Grundpfeiler der Intelligenz stehen: das Denken und das Gedächtnis.
Und tatsächlich gestehen sich Wissenschaftler heute ein: Die unscheinbaren Vögel sind lange Zeit verkannte Genies, die es sogar mit der Intelligenz von Menschenaffen aufnehmen können. In vielen Belangen sind uns die geflügelten Genies damit ähnlicher als bisher angenommen.
Ein Unterschied der keiner ist
Ob nun Rabe oder Krähe, spielt bei der Frage nach der Intelligenz keine Rolle. Die beiden bilden gemeinsam die Gattung Corvus, zu der insgesamt 42 verschiedene Unterarten von der Dohle über die „Nebelkrähe“ bis zum Kolkraben gehören. Die Einteilung in Raben und Krähen ist nicht taxonomisch, also artbestimmend: Große Vögel werden Raben genannt, die kleineren heißen Krähen. Zusammen mit Hähern, Elstern und Dohlen bilden sie die Familie der Rabenvögel.
In Wissenschaftskreisen erfahren die Rabenvögel in letzter Zeit eine gesteigerte Aufmerksamkeit. Denn den Forschern ist mittlerweile klar geworden, dass sie bei der Suche nach tierischen Intelligenzbestien Jahrzehnte lang die Vögel weitgehend außer Acht gelassen haben. Zu Unrecht, wie die gefiederten Genies immer wieder in verblüffenden Experimenten beweisen.
Christian Lüttmann
Stand: 02.06.2017