Zoologie

Ich sehe was, was du nicht siehst

Was wissen Krähen über ihr Gegenüber?

Raben und Krähen legen gern Futterverstecke an - am liebsten, wenn kein Artgenosse zusieht. © Alexas_Fotos / pixabay

Aus der Beobachtung von Krähen können wir einiges über ihr Verhalten und ihre „Sicht der Dinge“ lernen. Besonders interessant wird es, wenn einer der Rabenvögel im Beisein seiner Artgenossen ein Futterversteck anlegen will.

Wenn eine Krähe beispielsweise beim Verstecken einer Nuss beobachtet wird, versucht sie dem Blick des potenziellen Plünderers zu entschwinden und legt sogar leere Scheinverstecke an. Erst wenn der Artgenosse diese neugierig inspiziert, nutzt die Krähe den unbeobachteten Moment, um ihr richtiges Versteck anzulegen. Und auch die spionierenden Krähen tricksen und täuschen: Statt gebannt auf den Versteck-Vorgang zu starren, tun sie betont unbeteiligt und stelzen „uninteressiert“ auf und ab.

Dieses Verhalten setzt voraus, dass Krähen verstehen, wann sie von einem Artgenossen gesehen werden – eine Fähigkeit, die das Hineinversetzen in andere bedingt. Die versteckende Krähe unterscheidet sogar ihre Artgenossen: Wenn ein Vogel in die Nähe des Futterverstecks kommt, der beim Anlegen nicht zugesehen hat, bleibt die Krähe gelassen. Doch sobald sich ein potenzieller Mitwisser nähert, schnappt sie sich lieber schnell das Futter und verscharrt es an einem neuen Ort.

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Im Kopf des Gegners

Neben dem ständigen Konkurrenzkampf unter Artgenossen mussten sich viele Krähenvögel wie Raben im Laufe der Evolution auch gegen größere gefährliche Raubtiere behaupten. Denn als leidenschaftlicher Aasfresser muss ein Rabe sehr gut einschätzen können, wie dreist er beim Plündern eines frisch erlegten Beutetiers sein darf, ohne ihr eigenes Leben zu gefährden. Dieses Abwägen beherrschen die Vögel ziemlich problemlos.

Wölfe sind wertvolle "Mitarbeiter" für Raben: Die Vögel klauen sich oft einen Großteil der erlegten Beute. © Titleist46

Bis zu 90 Prozent eines Kadavers ergattern die Raben. Besonders gerne scheinen sie mit Wölfen „zusammen“ zu arbeiten. Sie führen die Räuber zum Teil sogar durch lautes Rufen zu einem geschwächten Beutetier – um sich nach getaner Arbeit der Wölfe großzügig am geöffneten Buffet zu bedienen. Eine Studie von John Vucetich der Michigan State University wirft sogar die Frage auf, ob das Rudel-Jagen der Wölfe zum Teil als Abwehrmaßnahme gegen die gierigen Rabenvögel entstanden ist.

Ihrer geistige Überlegenheit scheinen sich die Raben durchaus bewusst zu sein. Wenn beispielsweise ein Wolf einen Teil der Beute als Vorrat vergräbt, bemühen sich die Krähen nicht mal, ihr Interesse zu verbergen. Sie schauen ganz offensichtlich und unverhohlen zu. Und sobald der Wolf fort ist, graben sie das Fleisch aus und schlagen sich den Bauch voll.

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Christian Lüttmann
Stand: 02.06.2017

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Genies der Lüfte
Die verblüffende Intelligenz von Krähen und anderen Rabenvögeln

Der Ruf von Rabenvögeln
Warum wir die Tiere fürchterlich und faszinierend zugleich finden

Intelligenz ist Definitionssache
Bei der Bewertung von Cleverness sind Wissenschaftler noch immer uneins

Etwas fehlt im Vogelhirn
Was steckt drin im Kopf der Rabenvögel?

Raben unter sich
Soziale Gefüge als Wegbereiter zu intelligentem Verhalten

Ich sehe was, was du nicht siehst
Was wissen Krähen über ihr Gegenüber?

Krähen und die Kunst des Werkzeugbaus
Warum Rabenvögel den Menschenaffen Konkurrenz machen

Ein Blick in die Zukunft
Was weiß die Krähe von morgen?

Die hohe Schule der Intelligenz
Was verstehen Krähen von Abstraktion und Auftrieb?

Ein bisschen Spaß muss sein
Die amüsante Nebenwirkung von Intelligenz

Krähe und Mensch
Ein schwieriges Verhältnis

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Raben: Teamarbeit, aber nicht mit jedem
Kooperative Vögel arbeiten nicht mit betrügerischen Artgenossen zusammen

Krähen zählen ähnlich wie wir
Neuronen im Krähengehirn reagieren auf ihre jeweiligen "Lieblingszahlen"

Auch Vögel richten sich nach dem Tempolimit
Amsel, Spatz und Co passen ihre Fluchtdistanz dem Verkehr an

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