Musik bringt uns zum Weinen, macht uns froh oder weckt Erinnerungen – kaum ein äußerer Reiz kann unsere Stimmung so stark beeinflussen wie die Musik. Unabhängig vom kulturellen Kontext reagieren Menschen auf den emotionalen Gehalt der Musik. Forscher vermuten daher, dass diese Wirkung der Musik unwillkürlich und instinktiv erfolgt.
An den Augen ablesbar
Wie eng Emotionen und Musik verknüpft sind, lässt sich an unseren Augen ablesen. Typischerweise weiten sich unsere Pupillen unwillkürlich, wenn wir starke Gefühle empfinden oder sexuell erregt sind. Geweitete Pupillen gelten zudem als Zeichen des Vertrauens, verengte dagegen als Signal von Angst oder Aggression.
Welchen Effekt die Musik auf dieses unwillkürliche Pupillensignal hat, haben kürzlich österreichische Forscher untersucht. Sie spielten dafür 30 Probanden Klavierstücke aus der Romantik vor – einer für ihre dramatische, gefühlsbetonte Musik bekannten Epoche – und maßen dabei die Pupillenweite der Versuchspersonen. Das Ergebnis: Je emotionaler die Probanden die Musikstücke empfanden, desto stärker reagierten auch ihre Pupillen.
Hormonschwemme und Belohnungssystem
Was dabei in Körper und Gehirn passiert, ist bisher nur in Teilen geklärt. Studien zeigen beispielsweise, dass beim gemeinsamen Singen ein ganzer Cocktail von Glückshormonen ausgeschüttet werden kann. Neben Serotonin, Dopamin und Endorphinen ist oft auch der Pegel des „Kuschelhormons“ Oxytocin erhöht. Diese Hormone sorgen für Euphorie, Zufriedenheit und ein tiefes Harmonieempfinden.
Im Gehirn dringt Musik bis tief in die Zentren der Gefühlsverarbeitung vor und aktiviert dabei auch unser Belohnungssystem, wie Forscher feststellten. Dieser Schaltkreis im Mittelhirn wird immer dann besonders aktiv, wenn wir fundamentale Bedürfnisse oder aber eine Sucht befriedigen. Durch Ausschüttung von Dopamin und intensives Feuern der Neuronen im sogenannten Nucleus accumbens empfinden wir intensives Wohlgefühl – wie beim Verzehr von Schokolade, im Drogenrausch, in religiöser Ekstase oder beim Sex.
„Blinder Fleck“ für Musik
Allerdings: Es gibt auch Menschen, die lässt Musik völlig kalt. Egal, ob fröhliche Tanzmusik oder eine traurige Ballade erklingt, löst dies bei solchen musikalischen Anhedonisten weder Freude, noch Wohlgefühl, Trauer oder andere Gefühle aus. Seltsamerweise liegt dies jedoch nicht daran, dass die Betroffenen tontaub wären und deshalb die Musik gar nicht erst richtig wahrnehmen.
Stattdessen können musikalische Anhedonisten die rein akustischen Merkmale der Musik durchaus erkennen und zuordnen, wie spanische Forscher herausgefunden haben. Die Betroffenen können auch angeben, ob die Musik traurig, fröhlich oder beruhigend klingt. Aber die emotionale Wirkung der Stücke kommt bei ihnen nicht an – für diese Seite der Musik sind sie taub.
Der Grund: Obwohl ihr Belohnungssystem in anderen Fällen völlig normal reagiert, bleibt es bei musikalischer Stimulation inaktiv. Die Forscher schließen daraus, dass es bei diesen Menschen eine Art „blinden Fleck“ gibt, eine Lücke in der Verknüpfung von Hörerlebnis und Emotionsverarbeitung.
Nadja Podbregar
Stand: 26.05.2017