Auch wenn der Standort des legendären Mahendraparvata nun bekannt ist – die alte Khmer-Hauptstadt birgt noch viele Rätsel. Bisher haben Archäologen nicht einmal einen Bruchteil der per Laser entdeckten Relikte vor Ort untersucht oder überhaupt gefunden.
Hinzu kommt, dass auf Phnom Kulen – ähnlich wie in Angkor auch – nur Bauwerke aus Erde oder Stein noch als Ruinen sichtbar sind. Die große Mehrheit der Stadtbewohner lebte damals jedoch in Häusern aus Holz, Lehm und Stroh. Von diesen vergänglichen Bauten sind heute nicht einmal mehr Spuren erhalten geblieben. Wie die einfache Bevölkerung im Khmerreich lebte und wie ihr Alltag aussah, liegt daher noch im Dunkeln.
Mysteriöse Dome und Spiralen
Ebenfalls rätselhaft sind auch einige ‚Strukturen, die die Archäologen bei ihren Lidar-Scans entdeckten. Immer wieder enthüllten die Aufnahmen regelmäßige Reihen von runden Erhebungen, die sich wie ein großes Gitternetz durch Phnom Kulen ziehen. Auch aus Angkor sind solche „Dome fields“ bekannt, wie Evans berichtet.
Doch welchem Zweck diese Bauten einst dienten, ist unbekannt. Gräber scheinen es nicht zu sein, denn Ausgrabungen in einigen dieser Erhebungen förderten keine menschlichen Relikte oder sonstige menschengemachten Objekte zutage. „Diese Gebilde gehören daher noch immer zu den rätselhaftesten Eigenheiten der Khmer-Archäologie“, sagt der Archäologe.
Ähnlich mysteriös sind geometrische Muster aus Erdwällen, die die Archäologen sowohl in Angkor als auch in Phnom Kulen entdeckten. „Sie werden manchmal auch als Spiralen, Geoglyphen oder Gärten beschrieben“, berichtet Evans. „Und sie scheinen häufig nahe an Teichen oder Reservoiren zu liegen.“ Doch auch bei ihnen ist unklar, wozu sie einst dienten und welche Bedeutung sie für die Khmer hatten.
Das Ende der alten Königsstadt
Klar scheint dafür inzwischen, wie Mahendraparvata endete: Die Stadt grub sich buchstäblich ihre eigenen Lebensgrundlagen ab – ähnlich wie fast 600 Jahre später Angkor. Analysen von Sediment- und Pollenproben belegen, dass die gesamte Umwelt auf dem Phnom Kulen damals stark beeinflusst und verändert wurde. Die Archäologen entdeckten Hinweise auf alte Rodungen und eine ausgeprägte Bodenerosion. Dies deutet darauf hin, dass die Bewohner der Stadt eine intensive und wenig nachhaltige Landwirtschaft betrieben – ähnlich wie später in Angkor.
Die Forscher vermuten daher, dass die Khmer-Hauptstadt ihre Bevölkerung spätesten Ende des elften Jahrhunderts nicht mehr ausreichend mit Nahrung und Wasser versorgen konnte. Immer mehr Menschen wanderten ab, bis schließlich auch die Khmer-Herrscher die Stadt aufgaben – nach immerhin gut 250 Jahren. Sie zogen in die neue Stadtlandschaft in der Ebene um – nach Angkor.
Nadja Podbregar
Stand: 19.05.2017