Zoologie

„Müllbären“ auf der Spur

Nicht alle Braunbären lassen sich vom Abfall verführen

Eine regelrechte Magnetwirkung entfalten Müllkippen auf Bären. In den USA und Kanada gelten vor allem Schwarzbären als berüchtigte Abfallplünderer – auf Müllkippen, Camping-, Picknick- und Parkplätzen, zuweilen auch in Siedlungen. In Teilen Südosteuropas und der Türkei sind offene Mülldeponien noch in Gebrauch. Verwaltungen bemühen sich vielerorts aber um Schließungen. So hat Kroatien, Heimat von rund 1.000 Bären, in den letzten Jahren viele Müllkippen dichtgemacht.

Müll macht Bären neugierig und bietet ihnen meist auch etwas Fressbares. © Aaron Hwarren / CC-by-nd 3.0

Wanderer und Deponiebewohner

Doch selbst auf solche menschengemachten Nahrungsangebote reagieren Braunbären individuell sehr unterschiedlich. Das fanden Wissenschaftler der Universität Zürich und der türkischen Wildtierorganisation Kuzey Doga im Nordosten der Türkei heraus. Das Forscherteam um den Wildtierbiologen Gabriele Cozzi hatte im Sarikamiş-Allahuekber Mountains Nationalpark und Umgebung das Wanderverhalten einer Braunbär-Population untersucht, in deren Streifgebiet eine offene Mülldeponie liegt.

Für ihre Feldstudie fingen die Forscher 16 Bären ein, legten ihnen Satelliten-Halsbänder um und ließen sie dann wieder laufen. Aus den GPS-Daten der Sender erstellten sie Bewegungsprofile der Bären.

Die Wissenschaftler stellten fest, dass knapp zwei Drittel der untersuchten Bären im Umfeld der Müllkippe förmlich sesshaft wurden. Diese „Müllbären“ suchten dort vor allem nachts nach Fressbarem und bevölkerten die Deponie vorwiegend im Spätsommer. Die restlichen Bären jedoch hielten an ihren ausgedehnten Streifzügen bis zum Schwarzen Meer fest und mieden das künstliche Nahrungsangebot der Deponie. Eine solche Zweiteilung des Verhaltens einer Braunbärenpopulation wurde laut der Studie zuvor noch nie beobachtet.

Waldkorridore erleichtern es Bären, auch außerhalb der Mülldeponien und Orte genügend Futter zu finden. © Kai Althoetmar

Korridore sind wichtig

Cozzis Team fiel auch auf, dass die „Wanderbären“ auf ihren im Durchschnitt 166 Kilometer langen und maximal 72 Tagen währenden Streifzügen konsequent Waldkorridore nutzten. Die Allesfresser konzentrierten sich dabei auf Eichenwälder, die es ihnen im Herbst erlaubten, sich für die bevorstehende Winterruhe mit Eicheln ein Fettpolster anzufressen. Graslandschaft und die Nähe von Siedlungen mieden die Tiere auf ihren Wanderungen.

Die Forscher sehen darin ein Indiz, wie wichtig natürliche Korridore auch für Bären sind, um örtliche Populationen miteinander zu verknüpfen und genetischen Austausch zu fördern. „Die Bären müssen wandern, um entweder außerhalb des Kerngebiets der Studie Futter zu finden oder um ihren Speiseplan mit menschengemachten Nahrungsangeboten zu ergänzen“, schreiben die Forscher.

Die türkischen Behörden wollen nun die Mülldeponie schließen. Sollen die „Müllbären“ nicht verhungern oder in den Dörfern auf Futtersuche gehen, braucht es nach Ansicht der Forscher mehr natürliche Korridore. Sie können zersplitterte Lebensräume durch Grünstreifen, Aufforstung oder Nutzungsaufgabe wieder verbinden. Nur dann kommen die Bären auf keine dummen Gedanken.

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Kai Althoetmar
Stand: 20.01.2017

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Problemfall Braunbär?
Konflikte zwischen Mensch und Bär in Europa

Die Bären von Brasov
Zum Abendessen in die Stadt

Wo begegnen wir Bären?
Verbreitung und Häufigkeit

Wenn der Bär angreift
Was tun bei einer ungewollten Begegnung?

Der Problembär
Wenn Bären zur Gefahr werden

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