Ob winzige Kristallkörnchen in einem Meteorit, Erzadern in massivem Gestein oder aber die riesigen freistehenden Kristalle der Höhle von Naica in Mexiko: Die Natur hat ein gewaltiges Spektrum an verschiedenen Kristallen hervorgebracht. Sie unterscheiden sich nicht nur in ihren Eigenschaften, auch ihre Bildung kann ganz unterschiedlich erfolgt sein. Ausgangspunkt des Kristallwachstums kann sowohl eine Flüssigkeit, eine heiße Schmelze oder ein Gas sein.
Mit einem Keim fängt es an
Fast immer aber beginnt der Kristallisationsprozess mit einem Kristallisationskeim – einer Verunreinigung oder einer Oberfläche, die die Anordnung der Atome oder Moleküle zum Kristallgitter begünstigt. Dies erklärt auch, warum kleine Mengen hochreinen Wassers selbst bei Dutzenden Grad unter Null nicht gefrieren: Den Wassermolekülen fehlt der Keim, der die Kristallisation in Gang bringt.
Und noch eine Gemeinsamkeit gibt es: Bei der Bildung des Kristallgitters wird Energie frei. Denn für die Atome oder Moleküle ist die Gitterstruktur ein energieärmerer Zustand als eine ungebundene Anordnung. Durch die Kristallisationswärme heizt sich beispielsweise stark unterkühltes Wasser bei plötzlichem Gefrieren wieder bis auf etwa Null Grad auf. Die Kristallisationswärme entspricht immer genau der Energie, die zum Schmelzen des kristallinen Materials benötigt wird.
Wassereis ist nicht gleich Wassereis
Das alltäglichste Beispiel für die Kristallbildung aus einer Flüssigkeit können wir im Winter bei frostigen Temperaturen beobachten: das Gefrieren von Wasser. Dabei lagern sich die Wassermoleküle so zusammen, dass sie eine Kristallstruktur mit hexagonaler Grundstruktur bilden. Sie wird vorgegeben durch den Winkel, den die beiden Wasserstoffatome im Molekül bilden.
Doch unter bestimmten Kombinationen von Druck und Temperatur können auch andere Wassereis-Formen entstehen. 18 verschiedene kennt man inzwischen, darunter Wassereis mit einem quadratischem Gitter und eine käfigartige Eisstruktur.
Aus Salzlösungen
Das Kochsalz und auch die Tropfsteine in vielen Höhlen sind Beispiele für eine weitere Variante der Kristallbildung. Sie beginnt mit einer konzentrierten Salzlösung. Kühlt sich diese Lösung ab oder verdunstet ein Teil des Wassers, können die gelösten Salzionen nicht mehr alle in Lösung bleiben, die Lösung ist übersättigt. Als Folge kommt es auch hier zu einer Kristallisation. Bei der Gewinnung von Meersalz wird das salzige Meerwasser durch Erhitzen aufkonzentriert, bei den Tropfsteinen und Gipsformationen vieler Höhlen fallen Kalkminerale spontan oder durch Verdunstung des Wassers aus.
Auch die berühmten Riesenkristalle in der Höhle von Naica in Mexiko sind aus einer Salzlösung entstanden. Hier wuchsen im Laufe von hunderttausenden von Jahren meterhohe Säulen aus eckigen Selenitkristallen heran, einer Gipsvariante. Einiger dieser weißlich-transparenten Kristalle sind bis zu 14 Meter lang und zwei Meter dick. Sie gehören damit zu den größten Kristallen der Erde.
Aus Feuer und Dampf
Kristalle können nicht nur aus Salzlösungen entstehen, sondern auch aus heißen Schmelzen. In der Natur geschieht dies beispielsweise, wenn glühende Lava erstarrt. Aus basaltischer Lava können so ganze Ansammlungen eckiger Säulen entstehen – sie sehen aus wie von Menschenhand zurechtgehauen. In den Tiefen der Erde bildeten sich durch die Kristallisation von Schmelzen viele Edelsteine und Mineralie darunter auch der begehrte Diamant. Die größten Diamanten kristallisierten in einer flüssigen Schmelze aus Metallen und Kohlenstoff aus, wie Forscher erst kürzlich herausfanden.
Aber auch aus gasförmigen Ausgangsstoffen können Kristalle entstehen. Dies geschieht zum Beispiel, wenn sich im Winter Raureif auf Gräsern oder Zweigen bildet. Der Wasserdampf der Luft kristallisiert dabei auf der Grasoberfläche – es bildet sich eine Eisschicht.
Nadja Podbregar
Stand: 13.01.2017