Heute weiß man, dass die Felsbilder der Höhle von Altamira wahrscheinlich vor 20.000 bis 14.000 Jahren entstanden. Ihre Schöpfer gehörten damit zum Magdalénien, einer am Ende der letzten Eiszeit in West- und Mitteleuropa verbreiteten Kultur. Die Menschen jener Zeit gelten heute als die produktivsten Schöpfer von Höhlenkunst. Bekannt ist auch, dass sie bereits Lampen aus Dochten und Tierfetten herstellten und Pigmente nutzten, um sich und Gegenstände zu bemalen.
Jede Menge Kunst
Aus heutiger Sicht erscheint es daher wenig erstaunlich, dass diese Menschen mit Hilfe ihrer Fackeln und Lampen Höhlen erkundeten und deren Wände bemalten. Inzwischen sind zahlreiche weitere Höhlen mit Felsbildern aus der Eiszeit-Ära entdeckt worden. Unter ihnen sind so berühmte Beispiele wie die Höhle von Lascaux mit ihrem berühmten Saal der Stiere, die Chauvet-Höhle oder die Höhle von Pech Merle mit ihren getüpfelten Wildpferden.
Insgesamt kennt man heute mehr als 350 Höhlen mit Felskunst, die meisten von ihnen liegen in Südfrankreich und Nordspanien. Sogar in Felsunterständen in den Alpen, auf mehr als 2.000 Metern Höhe, haben Archäologen inzwischen prähistorische Malereien entdeckt. Diese Vielzahl von Höhlenmalereien legt nahe, dass diese Kunst in der Eiszeit bereits etabliert und verbreitet war. Das aber weckt die Frage, wann unsere Vorfahren damit begannen, ihre Vorstellungen, Wünsche oder Erfahrungen in Form von Bildern auszudrücken. Wann entwickelte der Mensch die Höhlenmalerei?
Das Problem der Datierung
Bei der Suche nach einer Antwort gibt es ein Problem: Unsere Vorfahren verwendeten für ihre Höhlenbilder manchmal Holzkohle, häufiger aber Pigmente aus nicht-organischen Substanzen – beispielsweise Gesteinspulver mit einem hohen Anteil rötlicher Mineralien. Mit der herkömmlichen Radiokarbonmethode lassen sich diese Pigmente und damit auch die Bilder nicht datieren.
Inzwischen jedoch gibt es zumindest in einigen Fällen Abhilfe: Im Laufe der Jahrtausende haben sich auf einigen Höhlenmalereien neue Kalkablagerungen gebildet: winzige Stalaktiten. Das Kalzitgestein dieser weißlichen Krusten enthält Uran, das im Laufe der Zeit zu Thorium zerfällt. Aus dem Verhältnis beider Elemente lässt sich daher schließen, wie lange die Kalkkrusten auf den Malereien schon existieren – und damit auch, wann die Felsbilder in etwa gemalt wurden.
Mindestens 40.800 Jahre alt
Als Forscher im Jahr 2012 diese Datierungsmethode in elf nordspanischen Höhlen anwendeten, erlebten sie eine Überraschung: Viele der Felsbilder erwiesen sich als deutlich älter als bisher gedacht, darunter auch ein keulenförmiges Symbol in der Höhle von Altamira: Es ist mindestens 35.600 Jahre alt – und stammt damit aus der Zeit lange vor dem Beginn des Magdalénien.
Eine echte Sensation aber ergab die Datierung der Felsmalereien in der El Castillo Höhle: Die für diese Höhle typischen roten Handabdrücke und Symbole sind 40.800 Jahre alt – mindestens. „Bisher war unser Wissen über das Alter der Höhlenkunst bestenfalls skizzenhaft“, sagt Paul Pettit von der University of Sheffield. „Jetzt haben wir die Anfänge der europäischen Höhlenmalerei um mehrere tausend Jahre in die Vergangenheit verschoben.“
Wer aber waren diese ersten Künstler?
Nadja Podbregar
Stand: 04.11.2016