Lange galten Höhlenmalereien als mehr oder weniger europäische Erfindung. Denn Felsbilder und Ritzzeichnungen gibt es zwar auch in der Neuen Welt, in Australien und Asien, doch sie galten lange als erheblich jünger als die aus Europa bekannten Kunstwerke – und als deutlich primitiver.
Einige Anthropologen vermuteten deshalb sogar, dass erst die Begegnung oder Konkurrenz mit den Neandertalern unsere Vorfahren dazu brachte, sich in den prachtvollen Höhlenmalereien auszudrücken. „Möglicherweise provozierte die Konkurrenz um Ressourcen die kulturelle Innovation“, meint der britische Archäologe Alistair Pike.
Entdeckung auf Sulawesi
Inzwischen allerdings wandelt sich diese ziemlich eurozentrische Sicht. Einen Beitrag dazu leistete eine überraschende Entdeckung vom anderen Ende der Welt: aus Indonesien. 2014 enthüllte eine neue Datierung: In der Höhle Leang Timpusen auf Sulawesi gibt es Handabdrücke, die schon knapp 40.000 Jahre alt sind. Tierfiguren in einigen Felsunterständen erwiesen sich als mindestens 35.000 Jahre alt.
„Bisher nahm man meist an, dass Europa das Zentrum der frühen Höhlenkunst war“, sagt Maxime Aubert von der Griffith University. „Aber unsere Funde auf Sulawesi zeigen nun, dass zur gleichen Zeit auch Menschen am anderen Ende der Welt Bilder von Tieren schufen, die genauso bemerkenswert sind, wie die in den Höhlen von Frankreich und Spanien.“
Aus Afrika mitgebracht?
Auch im Südwesten Chinas, in Thailand, Kambodscha und in Malaysia haben die Forscher Felskunst aus der Zeit von vor 35.000 bis 40.000 Jahren entdeckt. Im Norden Australiens erwiesen sich die ältesten Bildnisse inzwischen als immerhin knapp 30.000 Jahre alt. Ihrer Ansicht nach gibt es dafür nur zwei mögliche Erklärungen: Entweder die Menschen in Europa und Asien entwickelten die Kunstwerke zeitgleich, aber unabhängig voneinander. Oder aber sie brachte diese Kulturtechnik schon aus Afrika mit.
„Vielleicht wurde diese Kunst schon von den ersten anatomisch modernen Menschen praktiziert, die Afrika verließen – zehntausende von Jahren vor Entstehung der ältesten bekannten Höhlenmalereien“, postulieren die Wissenschaftler. Das würde bedeuten, dass es in Afrika noch unentdeckte und möglicherweise erheblich ältere Relikte von Felskunst geben könnte.
Ritzkreuze im Ocker
Ein erstes Indiz dafür könnten Archäologen vor einigen Jahren in der Blombos-Höhle in Südafrika entdeckt haben. Sie stießen dort auf zwei gut 70.000 Jahre alte Ockerstücke, die Spuren künstlerischer Bearbeitung zeigen könnten. Die damals in dieser Höhle lebenden Menschen hatten die Oberfläche dieses weichen Gesteins glattgerieben und auf dieser ebenen Fläche Ritzungen angebracht. Diese zeigen eine X-förmige Struktur, die von drei waagerechten Linien durchzogen sind.
Nach Ansicht von Christopher Henshilwood von der University of the Witwatersrand handelt es sich bei diesen Ritzungen nicht um zufällig entstandene Gebrauchsspuren, sondern um ein absichtlich erzeugtes Muster. „Diese Linien könnten mit symbolischer Absicht gemacht worden sein, auch wenn ihre Bedeutung heute unbekannt ist“, meint der Archäologe.
Nadja Podbregar
Stand: 04.11.2016