Ob primitives Ritzmuster, abstrakte Symbole oder verblüffend natürliche Tierfiguren: Das Spektrum der Motive und der Maltechniken in der Höhlenmalerei ist enorm. Einige Bilder bestehen aus kaum mehr als ein paar schwarzen Strichen oder Punkten, andere sind prachtvoll-farbenfrohe Gemälde mit nuancierten Farbübergängen und verblüffend detaillierten Details.
Als Malfarben nutzten unsere Vorfahren das, was sie in ihrer Umwelt vorfanden: Für schwarze und graue Linien oder Flächen verwendeten sie oft organische Materialien wie Holzkohle oder angesengtes Knochenmaterial. Die meisten anderen Farbtöne, darunter Gelb, Braun und Rot, wurden mit Hilfe von mineralischen Pigmenten erzeugt. Dafür zerrieben die Urzeit-Künstler rötliches Ocker, Hämatit und andere in Gestein enthaltene Mineralien zu einem feinen Pulver. Dieses wurde entweder direkt auf die Felswand aufgetragen oder mit Wasser zu einer Paste vermischt.
Drei Viertel von Frauen
Viele Handabdrücke entstanden in einer Art Siebdruckverfahren: Ihre Urheber müssen dafür die halbflüssige Farbe in den Mund genommen haben und sie dann über der auf den Fels gepressten Hand ausgespuckt haben. Dies hinterlässt die typischen Negativformen der Hände, die von Farbspritzern umrissen sind.
Genau diese Handformen liefern uns heute wertvolle Einblicke darin, wer sich damals in den Höhlen aufhielt – und wer sich an den Wänden verewigen durfte. Denn entgegen landläufigen Annahmen waren es keineswegs vorwiegend männliche Jäger, Stammesführer oder Schamanen. Vermessungen der Fingerlänge deuten darauf hin, dass drei Viertel der steinzeitlichen Abdrücke von Frauen hinterlassen wurden. Welche Bedeutung dies hatte, ist bisher rätselhaft.
Mit der Zeit immer besser
Bei den Tierbildern gibt es eine klare zeitliche Entwicklung – ein Hinweis darauf, dass unsere Vorfahren im Laufe der Zeit immer kunstfertiger wurden. In den Darstellungen aus der Zeit vor 20.000 bis 15.000 Jahren dominieren noch Umrisszeichnungen, Gravuren und Handabdrücke. Tierfiguren haben meist überproportional mächtige Körper mit eher kleinen Köpfen und Gliedmaßen, wie in den Höhlen von Lascaux oder Pech Merle zu sehen.
Später jedoch, im Magdalénien, werden die Tierfiguren realistischer. Fell, Mähnen oder Hörner sind nun oft detailgetreu und mit fein abgestufte Farbschattierungen dargestellt. Besonders eindrucksvoll lässt sich dies in der Höhle von Altamira, in einigen Tierfiguren von El Castillo und in der Höhle von Niaux bewundern.
Nur halb so viele Fehler
Wie gut die Höhlenkünstler sich mit der Anatomie und Bewegung der damaligen Tiere auskannten, haben Forscher vor einigen Jahren näher untersucht. Sie verglichen dafür Tierbilder aus dem frühen 19. Jahrhundert mit den prähistorischen Abbildungen. Dabei zeigte sich: Die Steinzeitmenschen waren offenbar deutlich bessere Beobachter als ihre neuzeitlichen Kollegen.
Die Künstler des 19. Jahrhunderts stellten die Schrittfolge von Pferden, Rindern oder Elefanten in mehr als 83 Prozent der Fälle falsch dar. Sie malten Beinpositionen, die in der Natur bei diesen Tieren nie vorkommen. Anders die Eiszeitkünstler: Ihre Tierbilder waren nur zu 46 Prozent fehlerhaft. Damit hatten die vermeintlich primitiven Urzeit-Menschen klar die Nase vor, wenn es um naturgetreue Darstellungen ging.
Nadja Podbregar
Stand: 04.11.2016