Kein lautes Tuckern, kein dunkler Rauch: Fast gespenstisch lautlos gleitet die „Ampere“ in den Hafen des Ortes Lavik im norwegischen Sognefjord. Nur das Rauschen des von den Schiffsschrauben aufgewühlten Wassers ist zu hören. Abgesehen von dieser seltsamen Stille scheint sich die 80 Meter lange Autofähre aber kaum von anderen Schiffen unterscheiden. Doch sie hat es in sich: Die „Ampere“ ist die erste rein elektrisch angetriebene Autofähre der Welt.
Kein Diesel, keine Abgase
Seit 2015 tut dieser schwimmende Pionier der Elektromobilität seinen Dienst: 34-Mal am Tag pendelt die „Ampere“ zwischen den Orten Lavik und Oppdal hin und her und befördert dabei bis zu 360 Passagiere und 120 Autos. Für die sechs Kilometer Überfahrt benötigt sie rund 20 Minuten. Normalerweise würde eine Fähre auf dieser Strecke im Jahr eine Million Liter Diesel verbrauchen und mit ihren Abgasen hunderte Tonnen Kohlendioxid, 37 Tonnen Stickoxide und weitere Schadstoffe in die Luft blasen.
Doch die „Ampere“ fährt klimaneutral und emissionsfrei: Ihr Strom kommt zu 100 Prozent aus Wasserkraft, von der es in Norwegen mehr als genug gibt. Obwohl die Autofähre im Jahr zwei Millionen Kilowattstunden an Strom benötigt, ist dies für die Norweger daher eine klimafreundliche und günstige Alternative zum konventionellen Schiffstreibstoff.
Lithium-Ionen-Akkus im Schiffsbauch
Statt mit Schweröl oder Schiffsdiesel angetriebene Motoren surren im Maschinenraum der „Ampere“ zwei Elektromotoren. Den Strom für ihre jeweils 450 Kilowatt Leistung beziehen sie aus einen gewaltigen Paket von Lithium-Ionen-Akkus – dem Batterietyp, der auch in Elektroautos verwendet wird und der in nahezu allen modernen Geräten steckt. Damit für die Schiffsmaschinen genügend elektrische Leistung zusammenkommt, sind auf der „Ampere“ zehn Tonnen dieser Akkus zusammengeschaltet.
Die Kapazität dieser Akkus reicht im Notfall für mehrere Überfahrten der Autofähre. Normalerweise jedoch werden diese Stromspeicher gar nicht ausgeschöpft. Denn bei jedem Stopp zum Be- und Entladen in den beiden Häfen sorgt eine Schnellladestation am Kai dafür, dass die Batterien genügend frischen Saft bekommen. Für das Aufladen hat die Autofähre nur maximal zehn Minuten Zeit, dann muss sie ihre nächste Überfahrt beginnen.
Ladestationen als Schnelllade-Puffer
Das Problem dabei: Das Stromnetz in dieser Region Norwegens versorgt nur ein paar kleine Dörfer und ist daher nicht für große Strommengen oder schnelles Laden ausgelegt. „Wenn wir kurzfristig so viel Energie vom Mittelspannungsnetz in die Fähre pumpen, gehen in allen Häusern die Waschmaschinen aus“, erklärt der Siemens-Ingenieur Odd Moen, einer der Entwickler der Autofähre.
Um das zu vermeiden, enthalten die Ladestationen am Hafenkai eine leistungsstarke Lithium-Ionen-Batterie, die als Stromsammler und Puffer dient. Legt das Schiff an, saugen sich die Schiffs-Akkus schnell aus diesem Reservoir voll. Während die „Ampere“ dann auf dem Fjord unterwegs ist, lädt die Ladestation langsam aus dem Stromnetz nach. Nachts, wenn die Autofähre ohnehin am Kai liegt, bleibt dagegen genügend Zeit, um die Schiffsbatterien auch ohne Puffer direkt aus dem Netz zu laden.
Für den Betreiber der Autofähre, Norled, hat sich der Umstieg auf das Elektroschiff gelohnt: Er spart 60 Prozent allein durch die wegfallenden Treibstoffkosten ein, denn Strom ist in Norwegen ziemlich billig. Hinzu kommt: Der zur Gewichtsersparnis aus Aluminium konstruierte Schiffsrumpf der Fähre erfordert deutlich weniger Wartung als konventionelle Stahlrümpfe mit Schutzanstrich.
Ist die „Ampere“ nur ein Exot oder ein echtes Zukunftsmodell?
Nadja Podbregar
Stand: 07.10.2016