Die Natur- und Artenschutzorganisationen überschlagen sich vor Freude über das Comeback der Wölfe. „Der Mythos Lebt“ titelt der WWF, der Naturschutzbund Deutschland (NABU) ruft „Willkommen Wolf“ und der Internationale Tierschutzfonds (IWAF) stellt fest: „Die Wölfe sind zurück!“. Umweltminister Jürgen Trittin sieht die Rückkehr der Wölfe „als Beweis für einen erfolgreichen Naturschutz und als Zeichen für eine intakte Natur“. Auch Sachsens Umweltminister Steffen Flath freut sich: „Lausitzer Wölfe sind ein Geschenk für Sachsen“.
Sorgenfalten im blutigen Morgengrauen
Aber nicht alle in Sachsen sind so begeistert über die Wölfe. Das Thema spaltet die Bevölkerung. Viele Bürger sind zunächst interessiert und freuen sich über die neuen Tiere in ihrem Wald. Doch bei anderen ist die Skepsis groß. In den großen Wäldern der Lausitz gibt es viele Rehe und Hirsche und in der Nähe Viehwirtschaft. Die Förster wissen noch nicht, wie sich das Wild verhält, wenn ein Wolf in ihrer Nähe lebt. Während die Förster um ihren Wildbestand besorgt sind, und die Viehhirten um ihre Schafe, Kühe und Ziegen fürchten, gehen die Ängste einiger Dorfbewohner noch darüber hinaus: Sie sind verunsichert und sorgen sich um frei spielende Kinder und Haustiere. Die Jahrhunderte lang geschürte Angst sitzt offensichtlich tief.
Im April 2002 reißen die Wölfe 27 Schafe – und scheinen alle Ängste und Vorurteile zu bestätigen. Die verstörte Öffentlichkeit schwankt zwischen Angst, Gleichmut und Wut. Bei einigen Bürgern wankt das bis dahin gute Bild des Wolfes, und andere fordern sogar den Abschuss der Tiere. Auch viele Leute, die bisher eher neutral bis desinteressiert eingestellt waren, schlagen sich nun auf die Seite der Skeptiker. Nur der beherzte Einsatz der Wolfsforscherinnen Ilka Reinhardt und Gesa Kluth verhindert Schlimmeres. Sie stehen den aufgebrachten Bürgern Rede und Antwort und sorgen gemeinsam mit der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe (GzSdW) und IFAW dafür, dass der Schäfer wirksamen Schutz gegen neue Angriffe aufbaut. Von nun an bedeutet die Arbeit mit dem Wolf für sie vor allem auch eine Arbeit mit den Menschen.
Informationen gegen Ängste
Die Öffentlichkeitsarbeit zeigt schnell Wirkung. Vorträge und Workshops informieren und räumen mit dem Mythos des „bösen Wolfs“ auf. Gemeinsam mit anderen Wolfsforschern und Naturschutzverbänden organisiert das Wildbiologische Büro LUPUS Seminare, Infotage und Workshops für Jugendliche. Die Wolfsforscherin Gesa Kluth ist erstaunt: „Aus persönlicher Erfahrung bekommen wir vor allem positive Rückmeldungen“. Im August 2004 gründet die Landesregierung das „Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz“, um Konflikte von Wolf und Mensch zu lösen, und die Bevölkerung besser zu informieren.
Aufgrund der starken Initiative aller Beteiligten gewinnen auch die Bürger nach und nach eine positive Einstellung. Anfang 2004 gründen private Wolfsschützer und Naturfreunde den Verein „Freundeskreis Wölfe in der Lausitz“, der die wissenschaftliche Arbeit von LUPUS und die Aufklärung der Öffentlichkeit unterstützt. Als kleine, aktive Gegnerschaft distanziert sich dagegen der „Verein Sicherheit und Artenschutz“ aus der Oberlausitz von der Wolfsforschung. Im Mittelpunkt seiner Ziele steht der Schutz des heimischen Wilds und der Nutztiere. Die Mitglieder wollen die „Nichtbeachtung und Unterbewertung der Gefahren“ durch Wölfe aufdecken.
Stand: 30.09.2005