Die beiden neuen deutschen Wolfsrudel in Sachsen haben eine Berg- und Talfahrt der Emotionen ausgelöst. Die Freude über die ersten Wölfe seit 150 Jahren in Deutschland wurde getrübt durch den Schrecken der 27 gerissenen Schafe in Mühlrose. Die Hoffnung auf ein zweites Rudel zerrann zunächst in den Schwierigkeiten um die Mischlinge der Neustädter Wölfin mit einem Hund. Dann die Erfolgsnachricht über die Paarung der Wölfin mit einem Artgenossen. Doch ein zweites Rudel. Das Glücksgefühl der Naturschützer traf auf die Angst der Bürger. Haben die Wölfe in Deutschland eine Chance?
Die Zukunft der Wölfe in Sachsen, Deutschland und auch Europa hängt ab von der Akzeptanz der Wölfe durch den Menschen. Und genau um diese beiden geht es im Wolfsmanagement: Wolf und Mensch.
Noch immer ist relativ wenig bekannt über die Wölfe in Europa. Selbst viele Wanderungswege von Wölfen, beispielsweise aus Rumänien nach Polen, sind seit Jahren nur eine Hypothese, die noch eines Beweises bedarf. Daher ist es nach Ansicht der Wolfsforscher wichtig, zum einen durch Beobachtung und Forschung so viel wie möglich über das Verhalten der Tiere, ihre Bewegungsräume und die Reaktion der anderen Wildtiere zu erfahren. Zum anderen aber, konkrete Schutzmaßnahmen einzuleiten. So würde es ohne den Einsatz für den Schutz der Wölfe in Polen vermutlich heute keine Tiere in Deutschland geben.
Wolfsmanagement in Deutschland
Obwohl in Brandenburg heute keine Wölfe leben, war das Land Vorreiter beim Wolfsmanagement. Bereits 1994 wurden dort Richtlinien erarbeitet, die bei der Ansiedlung von Wölfen zu beachten sind. Damals vermuteten die Wissenschaftler noch, die ersten Wölfe würden sich in den idealen Lebensräumen der Schorfheide niederlassen.
Seit 2000 leben die Wölfe stattdessen in Sachsen und brauchen dort ein gesetzlich geregeltes Management. 2002 hat die Landesregierung Sachsen die Expertin Gesa Kluth beauftragt, ein Wolfsmanagement auszuarbeiten und zu steuern. Die Schwerpunkte sind die Suche nach Wolfsspuren und die Öffentlichkeitsarbeit mit Bürgern, Jägern und Viehhaltern. Eine vernünftige Aufklärung soll den Bürgern Ängste und Sorgen nehmen und den Bauern mögliche Vorkehrungsmaßnahmen zum Schutz der Schafe erklären.
Förster, Jäger, Tierschützer und Wissenschaftler arbeiten heute für das Wolfsmanagement zusammen. Die Gebiete sind jedoch groß und die Aufgaben so vielfältig, dass der Erfolg des Projekts auch von der Bevölkerung abhängt. Ehrenamtliche Mitarbeiter sind daher für Gesa Kluth und das Vorhaben unverzichtbar. Sie helfen Spuren zu kartieren, melden die Sichtung eines Wolfs und leisten Aufklärung an Schulen. Die Wolfsforscherin freut sich: „Es gibt regelmäßig gemeldete Hinweise, insgesamt liegen uns aus den letzten Jahren mehrere Hundert vor. Die Meldungen stammen aus der gesamten Bevölkerung, auch von Förstern und Jägern.“
Je mehr sich die Wolffans engagieren, desto mehr haben sie von den Wölfen zu erzählen. Und die Information ist nach Meinung der Wissenschaftler die wichtigste Waffe in dem Kampf gegen den Mythos des „bösen Wolfs“ und die damit verbundenen Ängste.
Keine Grenzen für Wölfe
In Ländern mit größeren Wolfsbeständen wie Rumänien, Polen und Spanien arbeiten die Behörden schon seit einigen Jahren mit einem Wolfsmanagement. Im Auftrag der Berner Konvention für Artenschutz in Europa wurde im Jahr 2000 sogar ein Arbeitspapier für ein europäisches Wolfsmanagement erstellt. Schon damals war klar, dass der Managementplan ebenso wenig vor Grenzen halt machen kann wie sein Schützling, der Wolf.
Die Wölfe in Sachsen kamen aus Polen. Und ohne Nachschub werden auch die Wölfe in Deutschland keine Chance haben. Noch sind es zu wenig Rudel, als dass sie sich ohne die Gefahr von Inzucht langfristig könnten. Daher plant das Bundesamt für Naturschutz bereits die Zusammenarbeit im Wolfsschutz zwischen Deutschland und Polen. Das Naturkundemuseum in Görlitz beginnt dieses Jahr im Auftrag des Landes Sachsen die länderübergreifende Zusammenarbeit im Wolfsmanagement mit Wissenschaftlern der Republik Polen und Gesa Kluth vom Wildbiologischen Institut LUPUS steht schon seit einigen Jahren in engem Kontakt mit ihrer polnischen Kollegin Sabina Nowak.
Stand: 30.09.2005