Eines der wichtigsten TUSCH-Projekte war das im Jahr 1989 gestartete DISCOL-Experiment (Disturbance and Recolonisation Experiment). Bei der Expedition SO61 mit dem deutschen Forschungsschiff Sonne untersuchten Meeresforscher die gewaltigen Manganknollenfelder des Perubeckens vor der Küste Südamerikas. Sie wollten herausfinden, wie die Geschöpfe der Tiefsee auf eine Störung durch Bergbaumaschinen reagieren.
Unterwasserpflug simuliert Tiefseebergbau
Zunächst bestimmten die Meeresforscher die genaue Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften vor Ort mithilfe von speziellen Kastengreifern und anderen Probennehmern. Die Ergebnisse der Untersuchungen waren erstaunlich: Um die Manganknollen herum im Ozeanboden oder im Wasser gab es eine beachtliche Artenvielfalt an Würmern, Muscheln und Krebsen, Seegurken, Schwämme oder Anemonen. Sogar die „Meereskartoffeln“ selbst waren häufig von Organismen wie Moostierchen oder einem Geflecht von Einzellern bedeckt.
Anschließend gruben die Forscher und Techniker den Meeresboden mithilfe eines gigantischen, acht Meter breiten Unterwasserpflugs um. Sie wollten damit Bedingungen simulieren, die mit einem Abbau von Manganknollen vergleichbar waren.
Das Untersuchungsgebiet hatte zwar nur einen Durchmesser von etwa 3,5 Kilometern, doch insgesamt waren rund zehn Quadratkilometer Fläche direkt oder indirekt (durch aufgewirbeltes und transportiertes Sediment) von den Auswirkungen der „Meeresernte“ betroffen.
Wie die Meeresforscher um Professor Hjalmar Thiel, Ahmet Ahnert oder Hartmut Blum feststellten, wurden durch die Rodung des Meeresbodens wie erwartet zahlreiche Meeresbodenbewohner getötet oder verletzt. Die Wissenschaftler beobachteten aber bei Probennahmen und der Analyse von Bild- und Videodokumentationen, dass auch die Bestände an Borstenwürmern und Kleinkrebsen im Meeressediment durch das Pflügen nahezu ausgerottet wurden.
Tiefe Narben am Meeresboden
Doch die Wiederbesiedlung der zerstörten Refugien ließ nicht allzu lange auf sich warten. Dies ermittelten Wissenschaftler in Folgeprojekten wie ATESEPP (Auswirkungen technischer Eingriffe in das Ökosystem der Tiefsee, S.E. Pazifik/Peru-Becken) oder ECOBENT (Investigations on the Ecology of the abyssal Benthos of the Southeast Pacific Ocean). Nach und nach kehrten – das ergab beispielsweise die Expedition mit der Sonne im Jahr 1996 – viele der zunächst vertriebenen Tierarten wieder in ihr angestammtes Revier zurück.
„Bereits jetzt gilt als sicher, dass sich in den gestörten Sedimenten nicht wieder die ursprüngliche Lebensgemeinschaft entwickeln wird“, resümierten die Forscher im Zweijahresbericht 1996/97 des Alfred Wegener Instituts für Meeres- und Polarforschung wichtige Ergebnisse der Nachuntersuchungen. „Die gestörten Flächen wurden in erster Linie von kriechenden oder grabenden adulten Tieren und nicht von freischwimmenden Larven aus der Wassersäule wiederbesiedelt. Daher wird die Erholung ausgeglichener Lebensgemeinschaften in industriellen Abbaugebieten entscheidend von der Ausdehnung der gestörten Flächen abhängig sein“, so die Forscher weiter.
„Immerhin hatte sich sieben Jahre nach unserer experimentellen Störung fast die gleiche Lebensgemeinschaft wieder eingefunden wie vorher. Da die Manganknollen untergepflügt worden waren, fehlten natürlich die Arten, die dieses Hartsubstrat besiedeln“, ergänzte Thiel im Magazin Geo Wissen. Allerdings nicht ohne sogleich einzuschränken: „Bei einem realen Bergbau-Projekt werden solche Störungen allerdings intensiver und großflächiger sein.“
Die Spuren der Tiefseeraupen und Mangankollektoren – so viel steht für die Wissenschaftler fest – werden noch Jahrzehnte nach dem Abzug der Maschinen sichtbar sein. Erst dann werden neue Sedimente die Narben am Meeresboden zugedeckt haben.
Stand: 19.08.2005