Von 1815 bis 1821 lebte Napoleon in Verbannung auf der Insel St. Helena. In dieser Zeit hielt er sich – von Depressionen geplagt – oft in seinem grün tapezierten Zimmer auf und schrieb an seinen Memoiren. Als er dann schließlich an Magenkrebs starb, dachte sich keiner etwas Außergewöhnliches dabei – zunächst. Einige Haare Napoleons, die aufbewahrt worden waren, sorgten nämlich in den 60er Jahren für Aufregung: Sie enthielten Spuren von Arsen! War der ehemalige Kaiser vergiftet worden?
Die Einlagerung von Arsen in die Haare ist jedoch kein typisches Symptom für einen vorsätzlichen Mord mit einer tödlichen Dosis Arsen. Viel wahrscheinlicher ist es, dass Napoleon einer geringen Dosis des Giftes über einen langen Zeitraum ausgesetzt war. Und hier kommt die grüne Tapete seines Zimmers ins Spiel: Der damals verwendete Farbstoff war Kupferarsenit. Drang Feuchtigkeit in das Zimmer ein, entstand Dimethyl- oder Trimethylarsin. Das Einatmen dieser giftigen Verbindung könnte also für Napoleons Tod verantwortlich sein, oder doch zumindest seinen Gesundheitszustand verschlechtert haben.
Natürlich geschieht es eher selten, dass eine Vorliebe oder Abneigung gegen bestimmte Farben eine solch tiefgreifende Wirkung haben – dennoch beeinflussen Farben unsere Wahrnehmung nicht unerheblich. Farben rufen bestimmte Stimmungen oder Empfindungen hervor, beeinflussen sogar unser Bewusstsein. So vergeht bei grünem Licht die Zeit subjektiv viel schneller als etwa bei Rotlicht, ein gelbes Bonbon wirkt saurer als ein rotes und orange regt die Magen-Darm-Funktion an.
Doch woher kommt dieser Einfluss der Farben? Teilweise liegt die Wirkung einer Farbe auf der Hand. Blau etwa wird von den meisten Menschen als ruhig, weit und kühl empfunden – nicht weiter verwunderlich, kennen wir Blau ursprünglich doch vor allem als die Farbe von Wasser oder des Himmels. Grün dagegen ist eine „Wohlfühl-Farbe“, in vielen Wüstenländern gilt sie als Farbe des Lebens und in einer grünen Umgebung wirkt ein Geräusch weniger laut als in einem andersfarbigen Umfeld. Und tatsächlich bietet uns eine grüne Landschaft die bestmögliche Lebensgrundlage.
Auf diese Weise lässt sich die Farbwirkung jedoch nicht vollständig erklären. Rot (wie die Glut am Feuer unserer Vorfahren) zum Beispiel wirkt auf jeden Menschen warm. Ob dadurch aber eine Empfindung von Geborgenheit oder eher Beengtheit ausgelöst wird, ist individuell verschieden, denn Farbwirkung ist auch erlernt.
Während wir zu einer Hochzeit „unschuldiges“ Weiß tragen, ist diese Garderobe in anderen Kulturen zu einer Beerdigung angebracht. Wir wiederum sind auf Beerdigungen schwarz gekleidet, denn diese Farbe steht für alle Zivilisationen für das „Nichts“. Da nach dem christlichen Glauben auf den Tod keine Wiedergeburt erfolgt, wurde Schwarz zum Symbol für den Tod und erhielt so seine eher negative Besetzung. Die Farbe Rot galt vor allem früher als königlich, denn die Herstellung des Farbstoffs aus der Purpurschnecke war so kostspielig, dass nur die höchsten Schichten ihn sich leisten konnten. Im Russischen haben die Worte „Schön“ und „Rot“ den selben Wortstamm. Heute wird die Farbe eher mit Revolution und Kommunismus verbunden.
Die Werbung nutzt unsere Farbempfindungen (so sind zum Beispiel fast alle Hygieneartikel in frisch und rein wirkendem weiß und blau oder türkis gehalten), schafft sie aber auch selber. So floppte die geplante Einführung einer kristallklaren Cola, weil der Konsument bereits gelernt hatte, dass Cola eben Braun zu sein hat. Dass schwarz-gelb Gefahr bedeutet, haben wir ebenfalls gelernt – anhand der Warntracht von Wespen und Feuersalamandern.
Stand: 01.07.2005