Innerer Planet zu sein bedeutet aber nicht nur, sich am irdischen Himmel in puncto Sichtbarkeit rar zu machen: Venus teilt mit Merkur und unserem Mond die schöne Eigenschaft, sich in Phasengestalt zu zeigen! Hat man aber schon einmal jemanden klagen hören, er hätte schlecht geschlafen, weil heute doch Vollvenus sei?! Kaum. Die Phasengestalt der Venus ist trotzdem kein unwichtiges Detail; dieses Wechselspiel von Licht und Schatten auf unserer Schwester hat revolutionär in die Weltgeschichte eingegriffen.
Es gab da nämlich die kleine Affäre der Venus mit Galileo Galilei. Er konnte durch sein primitives Teleskop eindeutig sehen, dass der Planet mal sichelförmig war, mal halb, mal rund, in wechselnden Größen – und das konnte nur bedeuten, dass die Venus um die Sonne kreist, so wie der Mond um die Erde! Mit der Entdeckung der Venusphasen hat Galilei den entscheidenden Beweis für die Richtigkeit des heliozentrischen Weltbildes gefunden. Jupitermond-Entdeckungen hin, Saturnrätselspiele her – Venus war es, die den Kindern ihrer Schwester zu einer neuen Erkenntnis verhalf.
Garten Eden Venus?
Und dann kam da das zwanzigste Jahrhundert. Langsam wurde es Zeit, die unheimliche Schöne wirklich kennen zu lernen. Was man vom begrenzten Horizont der Erde aus wusste, war viel versprechend: Venus ist der Sonne näher als die Erde (um rund 40 Millionen Kilometer), sie ist gleich groß, sie ist von dichtesten Wolken eingehüllt – sie könnte ein Garten Eden sein.
In seinem Buch Entretiens sur la Pluralité des Mondes schrieb der französische Philosoph und Wissenschaftler Bernard Le Bovier de Fontanelle 1686: »Ich kann von hier aus beschreiben, wie die Bewohner der Venus so sind; sie sehen den Mohren von Granada ähnlich; kleine schwarze Menschen, verbrannt von der Sonne, voll von Witz und Feuer, immer verliebt, Verse schreibend, versessen auf Musik, Feste feiernd und Tänze und Turniere jeden Tag.« Das war vielleicht etwas kühn, aber keinesfalls einfältig. Stiche und Grafiken um 1900 und sogar noch danach zeigen Regenwälder und Moraste, Riesenlibellen, urzeitliche Wunderlandschaften. Es war eine Phantasie voller Hoffnung, verliebt in die atemberaubende Diva, die man nur aus großer Entfernung sehen kann, im Bühnennebel. (Atemberaubend ist sie übrigens tatsächlich …)
Stand: 22.04.2005