Als Gentleman schaut man Frauen nicht einfach ins Dekolleté, aber: Das Dekolleté der Diva Venus ist schwefelsäurebenetzt. Ihre Atmosphäre ist die dichteste des Sonnensystems. Der Cocktail dieses Schleiers ist ein faszinierend tödlicher: Zu 96 Prozent besteht die Venusatmosphäre aus Kohlendioxid, der Rest ist großteils Stickstoff, schließlich Sauerstoff, Argon, Kohlenmonoxid.
Die Venusluft darf man sich relativ klar vorstellen, mit guten Sichtweiten für Wanderausflüge, bis in zirka 50 Kilometern Höhe die Wolkenschichten beginnen, die sich in drei mächtigen Lagen übereinander türmen. Wolken auf der Venus bestehen aus Schwefelsäuretröpfchen und anderen korrosiven Komponenten. Diese gewaltigen Schichten, die jeden direkten Blick von außen auf die Oberfläche unmöglich machen (und damit der Diva großes Geheimnis begründen), lasten schwer auf allem: Der Atmosphärendruck auf der Oberfläche ist neunzig Mal so hoch wie auf der Erde. Und obwohl es unten fast windstill ist, toben in den obersten Schichten der Atmosphäre gewaltige Stürme, die die Wolken in vier Tagen einmal um den Planeten jagen.
Von Canyons und Vulkanen…
Die Oberfläche der Schwester der Erde ist eine Wüste sondergleichen; sie besteht aus gewaltigen Ebenen mit einem durchschnittlichen geologischen Alter von 500 Millionen Jahren – mit Verlaub gesagt: beinahe jung. Zwei »Kontinente« erheben sich in diesem steinernen Meer, einfallsreich »Venus« und »Venus« benannt, anderssprachig wenigstens, somit »Aphrodite« und »Ishtar«. Diese beiden Hochländer, eines in Äquatornähe, eines weiter nördlich, sind nicht die einzigen geologischen Formationen, die an die Erde erinnern. Wie es sich für einen Zwilling gehört, selbst wenn er noch so anders ist, zeigt die Venusoberfläche Formationen von Bekanntheitswert: Canyons, Vulkane, Berge, Krater, Hügelketten, Hochländer, Lavaströme.
Und apropos Vulkane: Mehr von den feurigen Schlünden findet man im ganzen Sonnensystem nicht. Über eineinhalbtausend größere Vulkane hat man auf dem Planeten gezählt, Grund genug, einmal seine Umbenennung in Hephaistos oder Vulcanus zu überlegen, den Göttern des Feuers. Es ist denn auch eine feurige, dramatische Affäre, die die Diva hier eingegangen ist: nirgendwo ein Anzeichen von Plattentektonik, lähmende Kruste. Keine isolierten Vulkanketten, keine Subduktionszonen. Die abertausend Vulkane sind abertausend Ventile, Vulkanventile, um trotzdem heißes Magma nach oben zu führen – Druckausgleich für Venus sozusagen.
Dafür gibt es kaum kleine Krater auf der Schwesternerde, denn die dichte Atmosphäre breitet sich wie ein weicher Schutzschleier über die Oberfläche. Meteore müssen schon wirklich große Brocken sein, um nicht vollständig zu verdampfen. Die aber, die es bis nach unten schafften, fügten der Diva große Narben zu. Andere Formationen geben dagegen Rätsel auf: Arachnoiden zum Beispiel, »spinnenförmige« Erscheinungen von 50 bis 300 Kilometern Größe, ein bizarres Netz von Bruchlinien. Oder die schneeweißen Bergkuppen aus Bleisalzen.
Stand: 22.04.2005