Das Diktum gilt als eine der ältesten und anschaulichsten Definitionen des Lebendigen: Leben ist Bewegung. Wo sich etwas von alleine regt und rührt, da rumort das Leben und bietet dem Tod die Stirn. Jeder Schritt, jeder Atemzug, selbst jeder Wadenkrampf ist ein untrügliches Zeichen unserer Vitalität. Doch ohne molekulare Motoren wäre all das unmöglich. Seit einigen Jahrzehnten sind diese Eiweißkomplexe bekannt, doch ihre überraschende Vielfalt beginnen die Wissenschaftler erst in jüngster Zeit zu verstehen.
Vor allem drei Familien von Eiweißmolekülen sind für den zellulären Nahverkehr verantwortlich: die Myosine, die Kinesine und die Dyneine. Jede dieser Familien besitzt Dutzende von Varianten, die jeweils unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Doch der grundlegende Mechanismus aller drei Motortypen ist ebenso einfach wie genial: Alle drei Proteine können ihre komplizierte räumliche Struktur derart verändern, dass beispielsweise ein hebelartig hervorstehender Eiweißarm umklappt – und so einen winzigen Bewegungsimpuls erzeugt.
Dabei verbrauchen die Motoren eine Art Zelltreibstoff, das Adenosintriphosphat (ATP). In den kleinen ATP-Molekülen speichert die Zelle die Energie, die bei der Verbrennung der Nahrungskalorien freigesetzt wird. Will man die molekularen Maschinen mit Automotoren vergleichen, dann wäre ATP das Benzin. Tatsächlich liegt hierin eine der großen Überraschungen der Zellbiologie: In der Welt der Moleküle finden sich aus purem Eiweiß aufgebaute Motoren, die – analog zu den technischen, vom Menschen gemachten Maschinen – Scharniere, Hebel, Federn und Kupplungsmechanismen aufweisen und deren Kraft und Geschwindigkeit sich mit ausgeklügelten Experimenten genauso messen lässt wie die Leistung eines 7er-BMW.
Bestes Beispiel für die Arbeit der molekularen Motoren ist die Muskelkontraktion. Legt man Muskelfasern unter ein Mikroskop, lassen sich darin zwei Typen von Filamenten – haarfeine, lang gestreckte Eiweißfäden – entdecken. Die dünnen Filamente bestehen großteils aus dem Zelleiweiß Aktin. Die dicken Filamente dagegen setzen sich aus Myosin zusammen. Wie in einem mit zwei verschiedenen Garnen sauber gewebten Tuch liegen dicke und dünne Filamente im Wechsel nebeneinander. Zieht sich der Muskel zusammen, gleiten die dicken und dünnen Filamente aneinander vorbei und schieben sich ineinander wie die Finger zweier Hände. Dadurch verkürzt sich die Muskelfaser binnen Millisekunden auf einen Bruchteil ihrer ursprünglichen Länge.
Stand: 23.10.2004