Unsere Haut wirkt für die meisten chemischen und biologischen Substanzen wie eine Backsteinmauer: Die Backsteine, die toten Hornhautzellen, blockieren die Passage von großen Molekülen, der Mörtel zwischen den Steinen, die Lipidlamellen, verhindern vor allem das Eindringen von kleineren wasserlöslichen Substanzen.
Aber genau diese Schutzmauer kann auch zum Problem werden – dann nämlich, wenn bestimmte Moleküle gezielt in tiefere Hautschichten oder sogar noch weiter in den Körper eingeschleust werden sollen. In der Medizin suchen Wissenschaftler seit langem nach Methoden, bestimmte Arzneimittel durch die Haut zu applizieren
Denn ein solches Wirkstoffpflaster kann kleine Dosen beispielsweise eines Schmerzmittels auch über einen längeren Zeitraum hinweg abgeben und damit Arzt und Patient wiederholtes Spritzen oder Schlucken von Medikamenten ersparen. Andererseits werden viele Mittel bei Einnahme als Tablette auch schon im Verdauungssystem zersetzt oder greifen die Magenschleimhaut an und wirken daher weniger effektiv, als wenn sie direkt – beispielsweise über die Haut – in den Blutkreislauf eingeschleust werden.
Die „chemische Keule“ bahnt den Weg
Funktionieren tut das aber nur, wenn die Barriere Hornhaut durch Tricks durchlässiger gemacht wird – und genau daran hapert es heute vielfach noch. Die ersten „transdermal patches“ nutzten meist chemische Lösungsmittel, um die „Mauer“ zu durchdringen. Häufig landete der Wirkstoff dabei tatsächlich erfolgreich in den tieferen Hautschichten und über die Hautkapillaren im Blut – gleichzeitig aber führten die Lösemittel zu massiven Hautirritationen.
Dennoch funktionieren einige Wirkstoffpflaster wie das Nikotinpflaster oder auch ein „Patch“ mit dem Schmerzmittel Fentanyl heute erfolgreich nach diesem Prinzip, inzwischen allerdings mit optimierten, milderen Permeabilitäts-Verbesserern. In den USA ist seit 2001 ein Verhütungsmittel zum Aufkleben auf die Haut zugelassen, ebenso wie Scopolaminpflaster gegen Reiseübelkeit oder Nitroglycerinpatches zur Behandlung von Angina pectoris. Doch dieser Hauttransport hat seine Grenzen.
Vincent Lee, Professor für Pharmazie an der Universität von Südkalifornien erklärt: „Aktuelle Studien deuten darauf hin, dass Insulin vielleicht das größte Molekül ist, das auf diese Weise appliziert werden kann. Die passive Technologie ist daher wahrscheinlich adäquat für niedermolekulare Wirkstoffe, bei denen ein konstantes Konzentrationsniveau gewünscht ist.“
Mit Wärme, Strom und Mikronadeln
Um diese Begrenzung zu überwinden, testen Wissenschaftler inzwischen auch andere Tricks, um Wirkstoffe unter die Haut zu bringen. Bei diesen aktiven Verfahren sollen physikalische Reize wie Strom, Wärme oder Ultraschall das Gefüge der Hornhautzellen lockern und Lücken aufreißen, durch die das Medikament dann eindringen kann. Bis jetzt allerdings haben diese Ansätze noch nicht zu marktfähigen Produkten geführt, wie David Enscore von der Alza Corporation erklärt, die unter anderem ein Nikotin- und ein Schmerzmittelpflaster herstellt.
Als besonders vielversprechend gilt dagegen die unter anderem am Georgia Institute of Technology entwickelte Mikroinjektion: In eine kleine Polymerscheibe mit Wirkstoffreservoir sind dabei hunderte extrem dünne, hohle Nadeln eingelassen. Ihre Länge von nur 100 bis 1.000 Mikrometern reicht gerade aus, um die Hornhautschicht zu durchstoßen, dringt aber nicht bis zu den empfindlichen Nervenzellenden in der Unterhaut vor. Kombiniert mit einer Mikropumpe könnte ein solches Patch beispielsweise Schmerzmittel oder auch immunwirksame Substanzen durch die Haut transportieren. Die ersten Versuche waren so erfolgreich, dass die Wissenschaftler sich das Verfahren vorsorglich patentieren ließen. Jetzt streben sie die Marktreife an…
Stand: 09.07.2004