Eine Welt ohne Farben – für uns kaum vorstellbar. Und doch ist Farbe letztlich nichts anderes als eine optische Illusion, nichts als ein Spiel des Lichts mit den Eigenheiten der Materie. Denn: „Mit dem Ersterben des Lichts vergehen auch die Farben, mit seiner Rückkehr erstehen sie wieder auf“, dies erkannte der italienische Architekt Leon Alberti schon in der Renaissance.
Viele Farben in unserer Umwelt gehen auf Pigmente zurück: Chemische Verbindungen, die nur bestimmte Anteile des sichtbaren Lichts zurückstrahlen und so den Eindruck einer Farbe erzeugen.
Doch es geht auch anders: Ein großer Teil unserer Welt erzeugt „Farben ohne Farbe“ – und ganz ohne Pigmente. Ein Beispiel für eine solche „Strukturfarbe“ ist der Regenbogen: Die Brechung des Lichts an kleinen Wassertröpfchen spaltet die im Sonnenlicht enthaltenen Wellenlängen auf und sorgt so für die bunte Farbenpracht. Auch das Rot des Sonnenunter- oder -aufgangs beruht auf Wasser oder Staubteilchen in der Atmosphäre: Sie absorbieren und streuen die blauen Anteile des Lichts, so dass vorwiegend rote und gelbe Strahlen beim Beobachter ankommen.
Letztlich geht auch die prägende Farbe unseres Planeten, das Blau des Himmels und der Ozeane, auf einen solchen Streuungseffekt zurück. Bei diesem ist es allerdings gerade die Streuung, die für eine stärkere Verteilung und damit Dominanz der blauen Wellenlängen sorgt.
Wenn es besonders schön schillert und glänzt, sind meist die so genannten Interferenzfarben im Spiel. Ohne sie wären Seifenblasen nichts weiter als klare, farblose Kugeln, Edelsteine stumpf, und die schillernde Farbenpracht vieler Schmetterlinge und Käfer gäbe es nicht. Auch das Rad des Pfaus wäre ohne sie eine reichlich triste Veranstaltung, kein Weibchen ließe sich von den matten und fast farblosen „Federaugen“ des Männchen anlocken.
Die Interferenzfarben verdanken ihre Existenz einem – im wahrsten Sinne des Wortes – kleinen physikalischen Trick. Ihr Geheimnis ist die Größenordnung der beteiligten Strukturen: Immer dann, wenn Teilchen oder Oberflächenstrukturen kleiner sind als die Wellenlänge des sichtbaren Lichts, verändert sich die Ausrichtung, Abfolge oder Zusammensetzung der von ihnen reflektierten Wellen. Je nach Anordnung der Reflexionsstrukturen werden dadurch bestimmte Farbanteile verstärkt, andere gedämpft oder ganz geschluckt.
Die Färbetechniken der Natur sind nicht nur vielfältig und faszinierend, sie bieten auch bestes Anschauungsmaterial für praktische Anwendungen. Nach der Devise „Abgucken ist Trumpf“ nutzt der Mensch beispielsweise die Pigmentfarben schon seit Tausenden von Jahren, zunächst nur die in der Natur vorhandenen Farbstoffe, später vor allem künstlich produzierte. Jetzt sind auch die „unsichtbaren“ Farbgeber, die Strukturfarben, zunehmend in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Weltweit versuchen Wissenschaftler ihre Mechanismen zu entschlüsseln und nachzuahmen – mit bereits ersten Erfolgen.
Stand: 06.07.2003