Three sisters, White Wall, Kaventsmänner: Diese drei Riesenwellentypen unterscheiden sich nicht nur rein optisch, ihnen liegen vermutlich auch verschiedene Entstehungsarten zu Grunde. Davon gehen jedenfalls Wissenschaftler von GKSS aus. Doch die Suche nach den Ursachen von Freak Waves steckt noch in den Kinderschuhen und hat bisher noch keine Theorie erbracht, die alle beobachteten Erscheinungsformen von Monsterwellen erklären könnte.
Vor einigen Jahren dachte man, dass Freak Waves ausschließlich durch Überlagerung von mehreren „normalen“ Wellen entstehen, demnach quasi im Huckepack-Verfahren erzeugt werden. Schnellere Wellen, so die Erklärung der Forscher, holen dabei die langsamen an einer bestimmten Stelle und zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Meeresgebiet ein. Die Einzelwellen verschmelzen dabei zu einer einzigen Riesenwoge, deren Wasserwände sich im Extremfall 30 oder 40 Meter hoch in den Himmel auftürmen können – eine Freak Wave mit erheblichem zerstörerischen Potential ist entstanden.
Diese Szenario spielt sicher bei vielen der bisher beobachteten Riesenwellen eine entscheidende Rolle. Doch meist kommen noch andere Faktoren hinzu, die zu der Mutation von Wellen zu Freak Waves beitragen. Einen weiteren Hinweis auf die Entstehung von Riesenwellen erlaubt ein Blick „hinter die Kulissen“ von einem Meeresgebiet vor der Südostküste Südafrikas. Die Region zwischen Madagaskar und dem Kap der Guten Hoffnung gilt unter Insidern geradezu als El Dorado für Freak Waves, als Brutstätte für unzählige der gefährlichen Monsterwellen. Deshalb hat es sich in den letzten Jahren zu einem beliebten Experimentierfeld für Meeresforscher entwickelt.
Aufmerksam geworden ist man auf dieses Meeresgebiet – eine Standardroute für Frachtschiffe aus dem Mittleren Osten auf dem Weg nach Europa oder Amerika – durch die vielen Schiffsunglücke in den letzten Dekaden. Jahr für Jahr erlitten dort Supertanker und zahlreiche andere Schiffe schwere Schäden bei hohem Seegang. Ursache in vielen Fällen nach Meinung der Forscher: Riesenwellen.
Rund um das Kap der Guten Hoffnung trifft die mit 2,5 Meter pro Sekunde südwärts eilende Agulhas Strömung beinahe frontal auf lange, nordwärts gerichtete Sturmwellen aus dem Atlantik oder der Antarktis. Durch die entgegengesetzten Strömungen nimmt dabei die Wellenlänge ab und die Wellen werden immer steiler. Die Sturmwellen werden zusammen gedrückt und es kann zudem zu Richtungsänderungen kommen – ein idealer Nährboden für Riesenwellen?
Davon jedenfalls sind Wissenschaftler um Marius Gerber von der Stellenbosch University in Südafrika überzeugt. Mithilfe von mathematischen Kalkulationen haben sie nachgewiesen, dass durch eine Kombination von Wellenüberlagerung und Richtungsänderungen in bestimmten Bereichen der Strömung immer wieder Riesenwellen entstehen können, die den normalen Seegang um ein Vielfaches übertreffen.
Gerber glaubt, dass dieser Mechanismus auch in anderen Meeresgebieten funktionieren könnte. Seiner Meinung nach bietet beispielsweise auch der Golfstrom im Nordatlantik die notwendigen Bedingungen, um auf diese Art Freak Waves auszulösen…
Stand: 04.11.2002