Der einzige heutige Vertreter des Tierreichs, der sich mit den Riesen von einst messen kann, ist der Blauwal. Mit bis zu 30 Metern Länge und knapp 200 Tonnen Gewicht übertrifft er selbst die meisten Dinosaurier noch. Doch im Gegensatz zu den landlebenden Kolossen der Vergangenheit hat er einen entscheidenden Vorteil: Er lebt im Meer. Würde das Wasser nicht einen großen Teil seiner Masse mittragen, wäre der Blauwal nicht lebensfähig. Weder sein Bewegungsapparat noch sein Kreislauf oder die Organe wären in der Lage, der enormen Belastung standzuhalten. Strandet er, ist er daher dem Tod geweiht.
Landlebende Riesen wie Elefanten oder die vor rund 150 Millionen Jahren lebenden Brachiosauren müssen jedoch auf die stützende Kraft des Wasser verzichten. Um nicht vom eigenen Gewicht erdrückt zu werden, brauchen daher sehr große Tiere besonders stabile Knochen, Muskeln und Sehen. Mit steigender Körpergröße nimmt deshalb auch der Anteil der Knochenmasse am Gesamtgewicht in der Regel überproportional zu. Elefanten besitzen beispielsweise sehr dicke, aber von Hohlräumen durchsetzte und daher verhältnismäßig leichte Knochen, dennoch liegt deren Anteil am Gesamtgewicht mit zwölf Prozent noch immer viermal höher als bei einer Maus.
Doch nicht nur der Bewegungsapparat, auch der Stoffwechsel und die inneren Organe müssen sich bei landlebenden Riesen in besonderer Weise anpassen. Während jedoch die Eigenheiten des Knochenbaus bei ausgestorbenen Großtieren wie den Dinosauriern durch Fossilienfunde recht gut belegt sind, verraten diese Skelettteile nur selten etwas über die nicht-knochigen Eigenschaften ihrer Besitzer.
Forschen durch Abgucken
Die Wissenschaftler behelfen sich in dieser Situation mit einem alten Schülertrick – dem Abgucken. Sie beobachten und untersuchen einfach heute noch lebende große Landtiere wie Giraffe oder Elefant und versuchen, deren spezielle Anpassungen auf die ausgestorbenen Dinosaurier zu übertragen. Vor allem die Giraffe hat in dieser Hinsicht einiges zu bieten: Trotz einer Höhe von annähernd sechs Metern ist ihr Körper so perfekt ausbalanciert, dass sie beim Laufen für kurze Zeit sogar Geschwindigkeiten von knapp 50 Stundenkilometern erreichen kann.
Um dies zu ermöglichen, sind nicht nur Skelett und Muskeln an die besondere Größe angepasst, sondern vor allem auch der Stoffwechsel: Damit das sechs Meter über dem Boden schwebende Gehirn noch ausreichend mit Blut und Sauerstoff versorgt wird, haben Giraffen den höchsten Blutdruck aller Landlebewesen. Mit 300 mm Hg übertrifft er den des Menschen um das zwei bis dreifache. Um diesen Druck aufrechtzuerhalten, brauchen Giraffen ein entsprechend großes Herz: Es wird bis zu 60 Zentimeter lang und zwölf Kilogramm schwer. Allein die Wand eines Giraffenherzes ist genauso dick wie das gesamte Herz eines Menschen.
Ein Herz so schwer wie eine Kuh
Paläontologen versuchen nun, genau diese Anpassungen auf die bis zu 16 Meter großen Brachiosauren hochzurechnen. Mit gigantischem Ergebnis: Ein Brachiosaurus müsste, um sein Gehirn mit Blut zu versorgen, einen Blutdruck von mindestens 600 mm Hg besessen haben. Das Herz eines solchen Riesensauriers wog vermutlich rund 400 Kilogramm, so viel wie eine ausgewachsene Milchkuh.
Ähnlich wie die Giraffen hatten wahrscheinlich auch die Brachiosaurier in den Arterien ihres Halses Ventile, die das Zurückströmen des Blutes beim Hochpumpen auffingen. Ähnliche Ventile in den Venen verhinderten beim Senken des Kopfes , dass das Blut über die Venen schlagartig ins Gehirn zurück schoss. Auf diese Weise konnten die Brachiosaurier ihre Hälse vermutlich ebenso zum Trinken oder schlafen senken und zum Fressen wieder aufrichten, wie es die heutigen Giraffen tun.
Stand: 21.09.2002