Wasser ist knapp im Nahen Osten. Auch oder gerade im Jordanbecken. Jordanien und Israel gehörten 1995 sogar mit 318 und 389 Kubikmetern Wasser pro Einwohner und Jahr zu den 20 Staaten mit der geringsten Wasserverfügbarkeit auf der ganzen Welt. Die internationalen Wasservorkommen im Jordan-Einzugsgebiet, das sich Jordanien, Syrien, Libanon, Israels und Palästina teilen, beschränken sich in erster Linie auf den Jordan selber (mit seinem wichtigsten ZuflussYarmuk) und einige grundwasserleitende Gesteinsschichten, die man Aquifere nennt.
Legt man europäische oder US-amerikanischen Maßstäbe an, ist der Jordan ein kleiner, eher unbedeutender Flussvon nur 93 Kilometer Länge und einem Wasserdurchfluß, der in etwa dem der Spree entspricht. Für die mehr als zehn Millionen Einwohner innerhalb der Region ist er jedoch sowohl Quelle für die Wasserversorgung der Bevölkerung als auch Grundlage für die Bewässerungslandwirtschaft. Die drei Quellen des Jordan entspringen in unterschiedlichen Staaten, der Hasbani im Südlibanon, der Dan in Israel, und der Banias auf den Golan-Höhen. Eine Situation, die die Wasserfrage im Jordanbecken schon von den geographischen Gegebenheiten her nicht einfach macht.
Einen außergewöhnlichen Stellenwert erhält die Ressource Wasser im Jordanbecken durch die schwerwiegenden politischen Konflikte zwischen Israelis und Arabern im Zusammenhang mit der Gründung des Staates Israel nach dem zweiten Weltkrieg und der nach wie vor ungelösten Palästinafrage. Der Wasserkonflikt ist deshalb auch so alt wie das Land Israel selber. Immer wieder kam es sogar zu militärischen Auseinandersetzungen im Kampf um die Verteilung des kostbaren Nasses. Und auch heute hängt ein Krieg um Wasser noch immer wie ein „Damoklesschwert“ über der Region.
Dies liegt sicher auch daran, dass Israel große Teile des Jordanwassers und seiner Zuflüsse für eigene Zwecke beansprucht und benutzt. Seit der Fertigstellung eines gigantischen Wasserleiters (National Water Carrier) vom oberen Jordan bis in die Negev-Wüste beutet Israel das Flusswasser in großem Umfang aus. Mehr als 500 Millionen Kubikmeter pro Jahr werden seitdem allein aus dem See Tiberias Jahr für Jahr abgepumpt. Bei einem jährlichen Wasserdurchfluß des Jordan von 1.200 Millionen Kubikmetern bleibt für die anderen Anrainer deshalb kaum noch etwas übrig. Das Wasser aus dem See Tiberias dient vornehmlich zur Bewässerung von Obstplantagen und Feldern und zur Versorgung der Großstädte.
Da auch Syrien (Dämme im Bereich der Yarmuk-Quellflüsse) und Jordanien (Wasserentnahme südlich des Zusammenflusses von Jordan und Yarmuk) das kostbare Nass in eigenen Projekten nutzen, bleiben am Ende nur noch kümmerliche 200 Millionen Kubikmeter Jordanwasser pro Jahr übrig, die in das Tote Meer fließen. Viel zu wenig, um den Wasserspiegel des Binnengewässers auf einem vernünftigen Niveau zu halten.
Da zudem im Süden des Sees bei der Gewinnung von Heilmineralien wie Pottasche, Salz, Magnesium und Brom neben Energie ebenfalls große Mengen an Süß- und Meerwasser verbraucht werden, geht dem Toten Meer noch mehr Wasser verloren. Berücksichtigt man noch die natürliche Verdunstung und die geringen Niederschlagsmengen in der Region, ergibt sich eine katastrophale Wasserbilanz für das Tote Meer.
Doch als sei das noch nicht schlimm genug, hat ein israelisch-amerikanisches Forscherteam um Gideon Baer vom Geologischen Forschungsinstitut in Jerusalem bei der Auswertung europäischer Satellitenaufnahmen entdeckt, dass sich der Boden in der Region an vielen Stellen um durchschnittlich 20 Millimeter pro Jahr absenkt. Im Extremfall – so ergaben die Studien der Wissenschaftler mithilfe des interferometric synthetic aperture radar (InSAR) – versanken die Landmassen sogar um bis zu 60 Millimeter jährlich.
Diese lochartigen oder weiten, flachen Absenkungsstrukturen sorgen seitdem an den Küsten des Toten Meeres für massive Probleme. Denn innerhalb der knapp sechsjährigen Studiendauer war beispielsweise parallel zu den Bodensenkungen nicht nur der Wasserspiegel des Sees, sondern auch der Grundwasserspiegel in der Region um mehr als sechs Meter gefallen…
Stand: 06.09.2002