Im Rahmen des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg zeigte sich endlich ein, wenn auch schwacher, Silberstreif am Horizont, was die Zukunft des Toten Meeres betrifft. Jordanien und Israel gaben dort ein Abkommen bekannt, nachdem die beiden Staaten dem Toten Meer mithilfe einer Pipeline vom Roten Meer nach Akaba eine Art Frischwasserkur verordnen wollen.
Laut Dalia Scharaban, Sprecherin des israelischen Ministeriums für regionale Zusammenarbeit, haben die beiden Staaten nach langen Beratungen beschlossen, die mehr als 300 Kilometer lange Verbindung zu zwei Dritteln über jordanisches Gebiet zu führen. Wie Ministeriumssprecherin betonte, ist im Rahmen des Projektes auch der Bau einer Meerwasserentsalzungsanlage zu Bewässerungszwecken geplant. 800 Millionen bis eine Milliarde Dollar wird allein die erste Stufe des Projektes kosten.
Die Idee, das Tote Meer an den Tropf des Roten Meeres zu hängen, ist übrigens nicht neu. Schon seit Jahren gibt es multinationale Planungen für einen Kanal zwischen den beiden Gewässern – eine Lösung, die lange Zeit vor allem von Jordanien favorisiert wurde, die aber aus Kostengründen am israelischen Veto scheiterte.
Wann die jetzt geplante Pipeline fertig sein wird, ist heute noch weitgehend unklar. Denn die „rührige Idee“ besitzt so viele Unwägbarkeiten und Hindernisse, wie die Hydra der griechischen Mythologie Köpfe: So sind für das Projekt bisher noch nicht einmal konkrete Machbarkeitsstudien erstellt worden. Zudem würde nach einem positiven Ergebnis dieser Untersuchungen allein der Bau der Pipeline etliche Jahre dauern. Dann könnte es für das Tote Meer längst zu spät sein. Und wer das Ganze finanzieren soll, steht ohnehin noch in den Sternen. Israel und Jordanien äußerten die Hoffnung, dass vielleicht die Weltbank oder Länder wie Deutschland einspringen könnten, um das Projekt endgültig auf den Weg zu bringen.
Ein Großteil der arabischen Welt lehnt aufgrund des Palästinenser-Konflikts und der Unruhen im Nahen Osten die Pipeline ohnehin vehement ab und könnte politischen Druck auf Jordanien ausüben, das Projekt zu kippen. Kritiker befürchten zudem, dass nach dem Bau der Verbindung zwar der Bestand des Meeres gesichert wäre, das Restwasser des Jordans aber umgehend in die ständig nach Wasser lechzende Landwirtschaft fließen wird. Last but not Least: Die Pipeline verläuft in weiten Teilen über wichtige Grundwasserspeicher tief im Boden. Bei einem möglichen Pipeline-Chrash besteht dann die Gefahr, das diese unwiederbringlichen Reserven mit Salzwasser verunreinigt werden.
Ein Blick über den Tellerrand der Region verheißt zudem für das Pipeline-Projekt wenig Gutes. Auch am Aralsee wurde von sowjetischer Seite jahrelang viel Geld und Mühe investiert, um durch einen Kanal vom Kaspischen Meer aus das austrocknende Binnengewässer mit Frischwasser zu versorgen. Letztlich verzichtete man doch auf die Realisierung des Projekts – zu groß waren die drohenden technischen Probleme beim Bau des Wasserweges und zu hoch die Kosten für die Umsetzung des ehrgeizigen Plans. Von den Schäden für Menschen und Ökosysteme in den von der Wasserentnahme betroffenen Gebieten mal ganz abgesehen.
Auch wenn die geologische Situation im Nahen Osten viel günstiger ist – das Gefälle vom Roten zum Toten Meer beträgt mehr als 400 Meter – sind zumindest Zweifel angebracht, ob und wann das spektakuläre Pipeline-Projekt zur Rettung des Toten Meeres beitragen kann.
Stand: 06.09.2002