Was jedoch in den wohlhabenden Ländern Mitteleuropas und Nordamerikas an Küstenschutzmaßnahmen finanziell, technisch und organisatorisch möglich ist, können sich Länder wie Bangladesh oder die Inselstaaten des Pazifiks nicht erlauben. Marode Staatskassen, eine desolate Infrastruktur und die Inkompetenz der Behörden lassen einen sicheren Schutz der Bevölkerung vor Sturmfluten nicht zu.
Der Tribut, den solche Länder dafür zu zahlen haben, ist hoch. In Bangladesch beispielsweise sind Überschwemmungen in für uns unvorstellbaren Dimensionen fast an der Tagesordnung. Schon 1737 gab es 300.000 Tote nach einer Sturmflut im Golf von Bengalen, 1942 waren es „immerhin“ 61.000, die ihr Leben bei einem ähnlichen Extremereignis verloren. Knapp 50 Jahre später schlug das Meer erneut zu und wieder waren 300.000 Tote zu beklagen.
Die letzte Mega-Katastrophe in dieser Reihe ereignete sich im Jahr 1991. Damals forderte ein tropischer Wirbelsturm, der sieben Millionen Menschen aus ihren Häusern vertrieb, etwa 140.000 Menschenleben durch Überschwemmungen, Epidemien und Hungersnöte. Fast der komplette, 580 Kilometer lange Küstenstreifen im Mündungsdelta von Brahmaputra und Ganges war damals vollständig überflutet. Ganze Ortschaften wurden von den Wasssermassen weggerissen oder von der Außenwelt abgeschnitten. Der Gesamtschaden lag in Milliardenhöhe.
Aufgrund der fehlenden Mittel für einen sinnvollen Küstenschutz bleibt in Ländern wie Bangladesch im Prinzip nur der Rückzug aus den gefährdeten Gebieten oder die Hoffnung auf internationale Unterstützung. Hilfe soll nun ein so genannter Flood Action Plan oder kurz FAP bringen, der durch Kooperation zwischen Weltbank, verschiedenen Industrieländern und der Regierung von Bangladesch entstanden ist. Er besteht aus 26 Einzelprojekten, die bis zum Jahr 2015 abgeschlossen sein sollen und ist mit einem Kapital von 20 Milliarden US-Dollar ausgestattet. Die Planer erhoffen sich davon nicht nur eine Minderung der Überschwemmungsgefahren, sondern auch eine kräftige Ankurbelung der Landwirtschaft.
Eine völlige Räumung der Überflutungsflächen ist in Bangladesch – zumindest zurzeit – völlig ausgeschlossen. Die Küstenregionen sind zu fruchtbar, als dass das arme Land auf ihre Nutzung verzichten könnte. Trotz des Damoklesschwerts in Form von Überschwemmungen drängen auch heute noch viele Menschen in diese ohnehin dichtbesiedelte Region, weil sie nur hier die Chance sehen, nicht zu verhungern.
In Zukunft jedoch wird die Situation in Bangladesch und anderen Ländern mit ähnlich flachen Küstenregionen noch schwieriger als bisher. Nach Einschätzungen der Klimaexperten des IPCC müssten zusätzlich zum normalen Küstenschutz weltweit mehr als 1.000 Milliarden US-Dollar aufgewendet werden, um sich gegen den zu erwartenden Meeresspiegelanstieg und die damit zusammenhängende erhöhte Sturmflutwahrscheinlichkeit abzusichern. Allein für Deutschland rechnen die Wissenschaftler mit Kosten von einer Milliarde Euro – eine Summe, die für Länder wie Bangladesch in keinem Fall zu finanzieren wäre.
Ohne zusätzlichen Küstenschutz jedoch würde Bangladesch fast ein Fünftel seiner Landfläche an das Meer verlieren, wenn der Meeresspiegel beispielsweise um einen Meter steigt, wie es eine IPCC-Prognose besagt. Die unendliche Geschichte der verheerenden Überschwemmungskatastrophen wird deshalb im Land am Fuße des Himalaya vermutlich auch in Zukunft weitergehen…
In den Industrieländern dagegen gibt es heutzutage viele Möglichkeiten, um die Folgen von heftigen Sturmfluten gering zu halten. Trotz modernster Technik beim Küstenschutz werden Sturmflutkatastrophen aber auch hier immer zum Leben der Küstenbewohner dazu gehören. Das Ziel kann es nur sein, die Schäden für Mensch und Natur möglichst gering zu halten.
Erheblich dazu beitragen wird sicherlich, dass Wissenschaftler mittlerweile in der Lage sind, schwere Stürme auf dem Meer mithilfe von Wettersatelliten zu verfolgen und mögliche Sturmflutgefahren schnell zu erkennen. Ergänzt durch Wasserstandsmessungen entstehen so genaue Frühwarnungen, die über Fernsehen, Fax oder Radio an die Bevölkerung weitergegeben werden und dabei helfen Menschenleben zu retten…
Stand: 20.04.2002