Schon länger weiß man, dass sich Phantomschmerzen mit einer sogenannten Spiegeltherapie lindern lassen. Dazu wird ein Spiegel so platziert, dass es für den Patienten aussieht, als sei das im Spiegel sichtbare gesunde Körperglied, beispielsweise der Unterschenkel, die amputierte Gliedmaße. Der Patient bewegt die noch vorhandene Extremität und nimmt die Bewegungen im Spiegel als Bewegungen des Phantoms wahr.
Auf diese Weise wird die Wahrnehmung erzeugt, dass das amputierte Glied wieder vorhanden und dem Körper zugehörig ist. Die Patienten fühlen daraufhin die Bewegungen des Phantoms und erleben eine Abnahme des Phantomschmerzes. Die Spiegeltherapie funktioniert jedoch nur bei Patienten ohne Teleskop-Phänomen. Bei Patienten mit einem „Teleskoparm“ beispielsweise bleibt die Spiegeltherapie unwirksam, weil eine Diskrepanz besteht zwischen der dargebotenen optischen Wahrnehmung des kompletten Arms im Spiegel und der verzerrten Wahrnehmung der „in die Schulter integrierten“ Phantomhand.
Korrigierte Wahrnehmung
Heutzutage lassen sich Phantombewegungen aber nicht nur mithilfe eines Spiegels, sondern auch in der virtuellen Realität (VR) simulieren, also in einer vom Computer in Echtzeit generierten interaktiven Umgebung. Dazu setzt der Patient eine VR-Brille auf, die die verzerrte Wahrnehmung korrigiert und im Falle der veränderten Handwahrnehmung die Hand „aus dem Stumpf zieht“. Auch ein Ganzkörper-Avatar kann eingesetzt werden, um die Wahrnehmung der Patienten zu normalisieren und Phantomschmerzen zu bekämpfen.
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Anwendungen der virtuellen Realität lassen sich auch bei anderen Schmerzproblemen einsetzen, beispielsweise bei chronischen Rückenschmerzen: Der Avatar führt in der virtuellen Realität die normalen Körperbewegungen aus, der Patient ahmt die Bewegungen intuitiv nach, verlernt auf diese Weise Schonhaltungen, die den Schmerz verstärkt haben, und kann den Schmerz dadurch vermindern. Schon das Sehen des „eigenen Rückens“ in der vom Computer geschaffenen Welt kann diesen Effekt haben.
Man führt dies zurück auf die schmerzhemmende Wirkung sogenannter multisensorischer Integrationsprozesse. Auch bei Verbrennungsschmerzen haben virtuelle kalte Umgebungen schmerzlindernde Wirkung gezeigt – selbst die Körpertemperatur lässt sich damit beeinflussen.
Herta Flor, Universität Heidelberg/ Ruperto Carola
Stand: 13.07.2018