Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist unter anderem durch eine Instabilität der Emotionen und Sozialbeziehungen sowie durch Störungen des Selbstbildes gekennzeichnet. Geraten die Betroffenen in Stress, kommt es häufig zu sogenannten Dissoziationen: Die Patienten nehmen sich selbst als fremd oder als „außerhalb des Körpers“ wahr. Sie haben dann auch ein deutlich vermindertes Schmerzempfinden.
Die Dissoziation ist zudem eng verknüpft mit einer veränderten Wahrnehmung des Körpers, die sich mit der „Gummihandillusion“ erfassen lässt: Streicht man mit einem Pinsel gleichzeitig über die echte Hand des Patienten und eine daneben liegende Hand aus Gummi, erleben viele nach kurzer Zeit die Gummihand als ihre eigene, zum Körper gehörende Hand. Je ausgeprägter die Tendenz des Patienten ist, die Gummihand in den Körper zu integrieren, desto stärker ist die Dissoziation und desto plastischer die Körperwahrnehmung.
Vom Schein zurück zum Sein
VR-Anwendungen lassen sich therapeutisch nutzen, um beispielsweise mit einem Ganzkörper-Avatar den dissoziierten Körper wieder zu integrieren und die veränderte Körperwahrnehmung dadurch zu normalisieren.
Noch in vielen anderen Bereichen sind VR-Therapien vorstellbar. Sie haben den Vorteil, dass man sie individuell an den Patienten anpassen und flexibel einsetzen kann. Mit der Verbesserung von VR-Anwendungen bei Schmerz befasst sich ein an der Universität Heidelberg angesiedelter Sonderforschungsbereich der Deutschen Forschungsgemeinschaft „Von der Nozizeption zum chronischen Schmerz: Struktur-Funktions-Merkmale neuraler Bahnen und deren Reorganisation“.
Eine ebenfalls von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte klinische Forschergruppe beschäftigt sich in Heidelberg mit den „Mechanismen der gestörten Emotionsverarbeitung bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung“. Das Ziel ist es, die gestörte Regulation der Emotion bei Borderline-Patienten besser zu verstehen. Auch hierzu werden VR-Methoden eingesetzt, etwa um die sozialen Interaktionen und die veränderte Körperwahrnehmung zu analysieren und daraus Therapien abzuleiten, die die Patienten vom Schein befreien und zum Sein zurückführen können.
Herta Flor, Universität Heidelberg/ Ruperto Carola
Stand: 13.07.2018