Wenn man sich die Endziffern von Primzahlen anschaut, wird schnell eine Gesetzmäßigkeit klar: Diese Atome der Zahlenwelt können nur mit den Ziffern 1,3,7 oder 9 enden. Alle anderen Endziffern kennzeichnen entweder gerade Zahlen oder Zahlen, die durch 5 teilbar sind. Lange gingen Mathematiker davon aus, dass die vier möglichen Endziffern der Primzahlen ungefähr gleich häufig vorkommen. Dafür spricht das in vieler Hinsicht pseudo-zufällige Verhalten der Primzahlen und auch das Auszählen großer Primzahlmengen legt dies nahe.
Unerwartete Abweichungen
Doch Primzahlen wären nicht Primzahlen, wenn sie nicht auch hierbei aus der Reihe tanzen würden., wie Forscher erst vor kurzem entdeckten. Kannan Soundararajan und Robert Lemke Oliver von der Stanford University hatten für ihre Studie untersucht, wie häufig eine bestimmte Primzahl-Endziffer auf eine andere folgt. Konkret gesagt: Endet die erste Primzahl mit einer 1, dann müsste die nächstfolgende Primzahl mit jeweils gleicher Wahrscheinlichkeit in einer 1, 3,7, oder 9 enden. Denn für jede dieser Ziffern liegt die Chance bei einem Viertel – so jedenfalls die gängige Annahme.
Was die beiden Mathematiker aber fanden, war etwas völlig anderes: Hat die erste Primzahl die Endziffer 1, dann hat die zweite Primzahl nur noch eine Wahrscheinlichkeit von 18 Prozent, auch in einer 1 zu enden. Eine 3 oder 7 kommt dagegen in 30 Prozent der Fälle vor und eine 9 in 22 Prozent. Ähnliches ergaben Tests mit den anderen Endziffern. Von einer gleichen Chance oder Zufallsverteilung konnte hier keine Rede sein.
„Abneigung“ bisher unerklärlich
Das aber bedeutet: Aufeinanderfolgende Primzahlen besitzen offenbar eine Art „Abneigung“ gegen gleiche Endziffern. „Das ist völlig überraschend – und rätselhaft“, sagt Soundararajan. Denn der Theorie nach dürften Primzahlen nicht von ihren Nachbarn beeinflusst werden. Doch zumindest bei Primzahlen im Bereich von bis zu mehreren Billionen scheint diese Vermeidung gleicher Endziffern zu bestehen – auch wenn sie mit größeren Zahlenwerten schwächer wird. „Die Primzahlen hassen es offensichtlich, sich zu wiederholen“, so Lemke Oliver.
Doch was steckt dahinter? Eine Möglichkeit wäre, dass die Endziffern von Primzahlen doch nicht gleich oft vorkommen. Tatsächlich gibt es hauchdünne Unterschiede in der Häufigkeit der Primzahlendziffern: Unter den ersten 5,8 Millionen Primzahlen kommen 3 und 7 mit einer Häufigkeit von 25,003 Prozent vor, 1 und 9 dagegen „nur“ zu 24,997 Prozent. „Doch das kann es nicht erklären“, sagt der britische Mathematiker James Grime. Denn die Abfolge von 9 und 1 als Endziffern aufeinanderfolgender Primzahlen ist der neuen Studie nach sogar die häufigste Kombination.
„Es scheint sich um eine fundamentale Eigenschaft von Primzahlen zu handeln“, sagt Grime. Denn diese „Abneigung“ gegen gleiche Endziffern tritt in allen Primzahlentypen auf. Aber warum? Welche Gesetzmäßigkeit steckt dahinter? Bisher haben die Mathematiker darauf keine eindeutige Antwort. „Ich habe keine Ahnung, wie man die richtige Vermutung dazu formulieren könnte, ohne zu spekulieren“, sagt Lemke Oliver.
Auch diese Eigenheit der Primzahlen bleibt damit vorerst rätselhaft und mathematisch nicht erklärbar.
Nadja Podbregar
Stand: 15.06.2018