Vieles spricht dafür, dass ein genetisches Programm festlegt, wie lange unsere biologische Uhr tickt. Bis der Sand durch das Stundenglas unseres Lebens gerieselt ist, stellt sich die Frage, ob wir überhaupt einen Einfluss auf unsere Lebensspanne haben. Tatsächlich gibt es einen erstaunlichen Zusammenhang zwischen der Stoffwechselrate und der Größe eines Organismus, die wiederum die Lebensdauer beeinflusst:
Je größer und schwerer ein Organismus ist, umso niedriger ist seine spezifische Umsatzrate, gemessen in Joule pro Gramm und Stunde (J/g·h) Der Korrelationsexponent für die Beziehung zwischen der Masse und der Stoffwechselrate beträgt 0.25. Das bedeutet, dass eine Erhöhung der Masse M um den Faktor 16 die Stoffwechselrate S halbiert. Spannend wird es nun, wenn wir beide Korrelationen zusammenbringen und damit die Frage beantworten, wie viel ein Organismus im Laufe seines Lebens an Energie umsetzt (L). Dazu muss man das Produkt aus der Lebensdauer und der Stoffwechselrate bilden: L = A · S = a ·b ·(M – 0.25 · M + 0.25 ) = a · b · M 0 = c (konstant).
Der Stoffwechsel ist entscheidend
Das bedeutet, dass unabhängig von Masse und erreichbarem Alter der Lebensumsatz ein konstanter Wert ist, die Lebensuhr also in Stoffwechseleinheiten abläuft. Daraus folgt aber zwingend, dass eine Reduktion der Stoffwechselrate zu einer Verlängerung der Lebenszeit führt, da die Uhr in diesem Fall langsamer abläuft. Diese Stoffwechseltheorie ist experimentell leicht zu überprüfen. Wir haben sie in unserem Institut vielfach bestätigen können.
Die Theorie hat sogar für einzelne Lebensabschnitte Gültigkeit. Dadurch kann man durch Messung der Stoffwechselrate beispielsweise den Schlüpfzeitpunkt eines Vogels bestimmen – ohne zu wissen, um welches Vogelei es sich handelt. Denn der Energieumsatz bei Vögeln in der Embryogenese beträgt zwei Kilojoule pro Gramm (kJ/g). Konkret bedeutet dies: Gemessen in Stoffwechseleinheiten schlüpfen alle Vogel-Embryonen, nachdem sie rund 2 kJ/g Energie umgesetzt haben. Junge Zebrafinken schlüpfen dadurch schon nach 12 Tagen, beim Straußkann es dagegen bis zu 50 Tage dauern.
Tiere mit besonders niedriger Stoffwechselrate wie beispielweise die Schildkröten und Tiere, die Energiesparphasen wie den Winterschlaf im Lebensablauf haben, leben um die Zeitspanne länger, die sie durch den reduzierten Stoffwechsel gewonnen haben. Auch Hungern kann daher zu einem verzögerten Altern führen, wie Experimente unter anderem mit Affen belegen.
Zahnräder des Lebens
Wir sehen, dass es nicht einen allein bestimmenden Taktgeber“ gibt, sondern dass zahlreiche, sehr variable Zahnräder der Lebensuhr ineinandergreifen, die gemeinsam den zeitlichen Ablauf des Lebens beeinflussen. Sie gewährleisten so eine hohe Flexibilität der Organismen.
Und vieles spricht dafür, dass Gene die Grundlage dafür festlegen, wie lange unsere biologische Uhr tickt. Ein sehr wichtiger Aspekt ist allerdings der Stoffwechsel, die ultimative Grundlage jeden Lebens. Halten wir ihn reduziert – will heißen: weniger (und gesünder) essen und gelassener leben, können wir unsere Lebensspanne ein wenig verlängern.
Prof. Dr. Roland Prinzinger, Universität Frankfurt / Forschung Frankfurt
Stand: 18.05.2018