Wie bei fast allen bahnbrechenden Entdeckungen in der Wissenschaft geht es bei der Genschere nicht nur um Fortschritt – sondern auch um Ruhm und viel Geld. Doch wer darf an CRISPR/ Cas9 verdienen? Bei dem von Charpentier in Bakterien entdeckten System handelt es sich per Definition zunächst einmal um einen „natürlichen Prozess“. Als solcher ist dieser nach geltendem Gesetz weder in der Europäischen Union, noch in den USA patentierbar.
Allerdings: Die Leistung, aus dem ursprünglichen System ein Genome-Editing-Werkzeug gemacht zu haben, lässt sich sehr wohl patentieren: als mikrobiologisches Verfahren. Deshalb reichten Charpentier und Doudna nach der Veröffentlichung ihres wegweisenden Aufsatzes im Mai 2012 gemeinsam mit der Universität in Berkeley einen Patentantrag bei der entsprechenden US-Behörde ein.
Eins zu null für Zhang
Doch sie hatten einen Nebenbuhler: Auch Bioingenieur Feng Zhang vom Broad Institute des Masschusetts Institute of Technology in Cambridge gab wenige Monate nach den Mikrobiologinnen einen Antrag beim Patentamt ab. Er hatte zuvor zum ersten Mal gezeigt, wie sich das CRISPR-Verfahren außerhalb von Bakterien nutzen lässt und die Methode unter anderem bei Mäusen und menschlichen Zellen angewandt.
Überraschenderweise bekam der Wissenschaftler das Patent im Frühjahr 2014 tatsächlich zugesprochen – und nicht das mit zahlreichen Wissenschaftspreisen geehrte Forscherinnen-Team. Die Begründung: Zhang habe die Methode für alle Zellen tauglich gemacht und sei damit der wahre Erfinder des Universalwerkzeugs. Doch die Universität in Berkeley sieht das anders. Sie argumentiert, der Schritt von Pro- zu Eukaryoten bedürfe keiner erfinderischen Tätigkeit – und hat Klage gegen die Entscheidung eingereicht. Seit Januar 2016 läuft nun ein Verfahren zur Klärung der Urheberschaft.
Debatte mit offenem Ende
Auch das Europäische Patentamt in München muss in dem Streit Entscheidungen fällen. Ein Patent hat die Behörde bereits dem Team um Zhang zugesprochen. Doch auch dagegen gibt es bereits mehrere Einsprüche. Die Debatte darum, wem die Rechte an der zukunftsträchtigen Genschere – und damit Milliarden-Einnahmen durch Lizenzgebühren – zustehen, ist also noch längst nicht geklärt. Womöglich wird sie noch Jahre dauern.
Trotzdem hat das Broad Institute im Auftrag von Zhang bereits erste Lizenzen für CRISPR erteilt. Unter anderem hat das Institut eine Lizenz für bestimmte Anwendungen im Agrarbereich an den Konzern Monsanto verkauft. Darüber hinaus sind seit 2013 zahlreiche Lizenzen für kommerzielle Forschung in der Humanmedizin vergeben worden.
Unternehmerische Ambitionen
Unbeeindruckt von den schwelenden Konflikten stehen auch die Erfinder der Genschere selbst schon in den unternehmerischen Startlöchern. So hat Jennifer Doudna etwa die Firma Caribou Bioscience gegründet, mit dem der Chemie-Konzern DuPont inzwischen eine strategische Allianz geschlossen hat. Erste mit CRISPR entwickelte Pflanzen sollen innerhalb der nächsten Jahre auf den Markt kommen, unter anderem ein trockenresistenter Mais.
Emmanuelle Charpentier hat indes das Startup CRISPR Therapeutics mitbegründet. Die Bayer AG kündigte bereits ein Joint Venture mit der Firma an, um „grundlegende Therapien auf Basis erster systemischer Anwendungen der Genom-Editierung“ zu entwickeln. Und auch Zhang war nicht untätig: Er gründete, zunächst sogar gemeinsam mit Doudna, die Firma Editas Medicine. Wegen der Streitereien ums Patent hat sich Doudna jedoch inzwischen aus dem Startup zurückgezogen.
Daniela Albat
Stand: 27.01.2017