So vielversprechend die reichen Bodenschätze der Arktis auch sein mögen. Ihre Ausbeutung birgt Gefahr für die bisher weitgehend unberührte Natur des Nordpolargebiets. Denn die Jagd nach Erdöl, Gas und Co bringt nicht nur Mensch, Maschinen und Infrastruktur in den hohen Norden. Bei der Förderung von Rohstoffen drohen auch Unfälle mit katastrophalen Folgen für die Umwelt.
Der Beinahe-Unfall der „Kulluk“
Wie schnell etwas passieren kann, demonstrierte im Dezember 2012 eine Beinahe-Katastrophe im Golf von Alaska. Hauptakteur war damals die speziell für Polargebiete konzipierte Ölbohrinsel „Kulluk“. Die bereits 1983 gebaute Plattform wurde 2005 vom Ölkonzern Royal Dutch Shell gekauft, überholt und für die Exploration in der Beaufort-See eingesetzt. Nach Abschluss der Arbeiten zog ein Schlepper die gut 80 Meter lange und 70 Meter breite Bohrinsel die Küste von Alaska entlang in Richtung der Stadt Seattle.
Doch am 29. Dezember 2012 ereignete sich ein schwerer Sturm, dessen bis zu elf Meter hohe Wellen den Schlepper zu versenken drohten. Um sich zu retten, kappte die Schiffsbesatzung das Schlepptau zur „Kulluk“ und überließ die Plattform sich selbst. Mit fatalen Folgen: Schon wenige Stunden später lief die Bohrinsel vor Sitkalidak Island auf Grund – und drohte auseinanderzubrechen. Wäre dies geschehen, wären knapp 570 Kubikmeter Öl in die sensible arktische Umwelt freigesetzt worden. Glücklicherweise gelang es, diese Umwelt-Katastrophe zu verhindern: In einer zwölfstündigen Bergungsaktion machten drei Schlepper an der gestrandeten Bohrplattform fest und zogen sie aufs offene Meer hinaus.
Exxon Valdez – der Super-GAU
Der Super-GAU arktischer Umweltverschmutzung ist jedoch bis heute die Ölkatastrophe der Exxon Valdez. Der Öltanker lief im März 1989 im Prinz-William-Sund in Alaska auf ein Riff auf und schlug Leck. Knapp 40.000 Tonnen Rohöl liefen aus und verseuchten das Meer und rund 2.000 Kilometer Küste. Hunderttausende Fische, Seevögel und andere Tiere starben als direkte Folge der Ölkatastrophe, weitere tausende wurden Opfer einer schleichenden Vergiftung.
Trotz groß angelegter Säuberungsaktionen halten die Auswirkungen auf die Umwelt weiter an, wie vor einigen Jahren eine Studie belegte. Demnach verschmutzen geschätzte 80.000 Liter Öl in Form von Öl- und Teerklumpen noch immer die Küste Alaskas. Besonders fatal: Die im Öl enthaltenen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) sind gesundheitsschädlich, werden wegen der Kälte aber nur sehr langsam abgebaut. Sie sorgen daher bis heute für eine Dezimierung und Schädigung der arktischen Tierwelt.
Kein genereller Schutz
Dass sich Unfälle gerade im hohen Norden verheerend auswirken können, hat sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel erkannt: In einer Videobotschaft zu einer Sitzung der Arktisanrainer erklärte sie per Videobotschaft: „Umweltschäden wirken sich im sensiblen arktischen Ökosystem langfristiger als anderswo aus. Folgen eines Umweltunfalls lassen sich viel schwerer unter Kontrolle bringen“, so die Kanzlerin. „umso wichtiger ist das Vorsorgeprinzip als Richtschnur der Arktispolitik.“
Doch trotz einiger Verschärfungen der Umweltauflagen für Tanker und Bohrplattformen, ist die Förderung und Verschiffung potenziell umweltgefährdender Substanzen in der Arktis bisher erlaubt. Ein umfassendes Umweltschutzprotokoll wie bei der Antarktis existiert für das Nordpolargebiet nicht. Angesichts des für die Zukunft zu erwartenden Schiffsverkehrs durch Nordost- und Nordwest-Passage und mögliche Bohrprojekte weckt dies vor allem bei Umweltorganisationen Sorge.
Dennoch gibt es erste hoffnungsvolle Entwicklungen – verblüffenderweise von Seiten der Wirtschaft: Es gibt bereits Banken, die die Finanzierung von Förderplattformen im Polarmeer ablehnen und sogar ein Ölkonzern – Total – sprach sich im Jahr 2012 grundsätzlich gegen Ölbohrungen in der Arktis aus. Ob es in Zukunft möglicherweise sogar zu einem Moratorium für die Erdöl- und Gasförderung in der Arktis kommt, bleibt abzuwarten.
Nadja Podbregar
Stand: 18.11.2016