Bislang gibt es keine direkte Beobachtung eines explodierenden Weißen Zwergsterns, aus dem eine Typ-Ia-Supernova hervorgeht – dennoch können wir uns diesem Phänomen theoretisch nähern. Dies tun wir, indem wir mithilfe der weltweit derzeit leistungsstärksten Computer simulieren, unter welchen Voraussetzungen die Explosion eines Weißen Zwergsterns zustande kommen könnte und wie die thermonukleare Verbrennung im Detail abläuft.
Materialklau führt zur Explosion
Wir wissen beispielsweise, dass der Stern in einem engen binären System mit einem Begleiter wechselwirken muss, damit die Explosion zündet. Das gängige Modell besagt, dass Material von einem normalen Stern auf den Weißen Zwergstern hinüberströmt. Die Folge ist, dass die Masse des Weißen Zwergsterns stetig anwächst, bis sie sich schließlich der sogenannten Chandrasekhar-Grenze nähert.
Bei noch höheren Massen können die entarteten Elektronen den Zwergstern nicht mehr stabilisieren. Nahe der Chandrasekhar-Grenze wächst die Dichte in seinem Zentrum gewaltig an, und letztendlich kommt es zur thermonuklearen Explosion. Dieses Szenario wurde lange Zeit als Standard angesehen – auch deshalb, weil es die Homogenität der Beobachtungsgrößen von Typ-Ia-Supernovae erklären kann: Es ist immer die gleiche Menge an Brennstoff verfügbar, festgelegt durch die Chandrasekhar-Grenze auf rund 1,4 Sonnen-Massen.
Zu selten, um alle zu erklären
Mit aufwendigen dreidimensionalen Simulationen ist es den Heidelberger Astronomen zusammen mit einem weltweiten Team von Mitarbeitern erstmals gelungen, systematisch und konsistent synthetische Beobachtungsgrößen vorherzusagen. Das erlaubt es nun, die theoretischen Modelle zu den Typ-Ia-Supernovae im direkten Vergleich mit astronomischen Daten zu überprüfen.
In den letzten Jahren sind zunehmend Zweifel an der Allgemeingültigkeit des Standardmodells aufgekommen. Systeme, in denen es tatsächlich möglich ist, einen Weißen Zwergstern zur Chandrasekhar-Masse zu bringen, sind in ihren Parametern sehr eingeschränkt. Sie sind deshalb wohl auch zu selten, um die beobachtete Anzahl von etwa einer Supernova vom Typ Ia pro Jahrhundert in einer milchstraßenähnlichen Galaxie – einem für kosmologische Verhältnisse recht häufigen Ereignis – zu erklären.
Es geht auch anders
Bereits vor rund fünf Jahren konnte unsere Gruppe mithilfe komplexer Computersimulationen zeigen, dass es auch andere Erklärungsmöglichkeiten gibt, etwa Systeme aus zwei Weißen Zwergsternen in einem engen Binärsystem, die aufgrund der Abstrahlung von Gravitationswellen und durch Gezeitenkräfte miteinander verschmelzen. Auch dann kann eine thermonukleare Explosion zünden.
Es stehen also mehrere Modelle bereit, die erklären können, wie es zu einer Typ-Ia-Supernova kommt. Die Aufgabe künftiger Forschungsarbeiten wird es sein, mit verbesserten Simulationen und Beobachtungen zu erforschen, welches der derzeitigen Szenarien die meisten Supernova-Ereignisse beschreiben kann beziehungsweise ob verschiedene Erklärungsmodelle zu diesem astronomischen Phänomen beitragen.
Friedrich Röpke, Universität Heidelberg/ Ruperto Carola
Stand: 06.05.2016